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von Philip de Málaga
Am meisten ärgert die Nichtkenner der Szene taurino, dass die toros öffentlich getötet werden. Antitaurinos prangern dieses an und bezeichnen es als eine Hinrichtung bis hin zum Mord. Die Frage ist, muss der toro wirklich getötet werden?
Es sei mal festgestellt, Stiere werden grundsätzlich nicht für die Haltung als Haustiere gezüchtet. Der Zweck liegt ohne Frage in der Fleischgewinnung. Bei den corridas ist das Hauptmotiv ein wenig anders. Zwar werden auch die toros im Nachhinein verspeist, aber der entscheidende Faktor ist, dass so ein res während der zwanzigminütigen lidia mehr lernt als im ganzen Leben. Der toro beginnt zu begreifen, dass es weder die capa noch die muleta ist von der die Bedrohung ausgeht und kommt langsam drauf, den torero ins Visier zu nehmen. Mit anderen Worten er ist nicht mehr toreable. Er wird für den Menschen zu einer Lebensgefahr. Dies ist einer der Gründe, warum es vollkommen untersagt ist, sich bis zum Beginn einer corrida einem toro zu Fuss zu nähern.
Der französische Philosoph Francis Wolff betritt mit seinen Erklärungen eine kultivierte Ebene. Er führt drei Punkte an, welche den Tod eines toros rechtfertigen. Da wäre zunächst die symbolische Deutung: Eine corrida ist die Erzählung eines heldenhaften Kampfes mit dem tragischen Tod des Tieres, eben jenes toros. Dann kommt der ethische Moment, der "Augenblick der Wahrheit", wo sich der matador mit voller Risikobereitschaft ungeschützt zwischen die Hörner des toros wirft um den Todesstoss mit dem estoque auszuführen. In der estocada reflektiert auch der dritte und letzte Punkt des Philosophen. Die Ästhetik. Denn erst eine perfekt ausgeführte und vor allem todbringende estocada ist in der Lage das Kunstwerk einer gelungenen lidia vorbildlich, meisterhaft wie geradezu virtuos abzurunden. Die arte del toreo verlangt eben einen perfekten Abschluss.
Estocada - der Moment der Wahrheit |