von SfA
Besucht man eine corrida in einer plaza de toros wird man zu Beginn stets mit derselben Frage konfrontiert. Welche entradas möchte bzw. sollte man erwerben. Das ist zunächst eine sehr persönliche Entscheidung und hängt grundsätzlich von zwei Punkten ab:
- Wie viel ist man bereit zu zahlen?
- Welche Ansprüche werden gestellt? Was möchte man sehen und somit erleben?
Da dies eine sehr subjektive Angelegenheit ist, ist das SfA-Team dieser Frage einmal nachgegangen.
Wo sitze ich am liebsten?
___________________________________________________________________von Colin Ernst
Schon bei meinem ersten Besuch einer corrida habe ich mir die dritte Reihe ausgesucht. Etwas erhöht um alles gut im Blick zu haben, aber schön nah am Geschehen. Das war im tendido bajo, in der 3. fila. Als ich später andere plazas kennenlernte orientierte ich mich, im sombra, dem Schatten, irgendwo zwischen der Loge des Präsidenten und der puerta grande. Bald war mir das aber nicht mehr genug, ich wollte noch näher ans Geschehen und leistete mir einen Platz in der ersten Reihe, der barrera. Und das ist mein Lieblingsplatz. Hier, direkt über dem callejón, habe ich alles was dort vor sich geht im Blick, spüre das Zittern der Holzplanken wenn der Stier die tablas rammt und sehe die Schweisstropfen auf der Stirn der toreros. Da ich filme und fotografiere, ist dieser Platz für mich ideal. Meine Mutter bevorzugt die 3-5. Reihe, seit dem sie einmal dabei war, als ein toro über die barrera sprang. In einigen plazas habe ich auch im tendido alto, oder in den gradas, oben gesessen, aber das gefiel mir nicht so sehr, viel zu weit entfernt von toros und toreros.
Die Nähe zu toros und toreros, ein Motiv ganz vorne zu sitzen (Fotos: Colin Ernst) |
Neueinsteigern würde ich die achte Reihe im sombra empfehlen. Links oder rechts von der puerta grande. Von dort hat man einen guten Überblick in den meisten plazas. Die sol tendidos sind besonders im Sommer heiss und man wird geblendet, je nach dem wo man sitzt. Im Bereich des sombras hat man oft auch auf den höheren Rängen eine gute Sicht, je nach plaza, während man auf der Sonnenseite, besser in den unteren Rängen auf seine Kosten kommt. Und diese sind auch ein Thema, denn Schatten und erste Reihe gehen richtig ins Geld, wenn es sich nicht um eine Wohltätigkeitscorrida handelt.
Eine andere Sache sind die plazas. In den großen, wie Las Ventas, Madrid, welche einen grösseren Radius hat als eine Arena der zweiten oder dritten Kategorie, finde ich die dritte Reihe attraktiv, denn die Distanz zum toro, wenn er in der Mitte oder gar am anderen Ende seinem torero gegenübertritt, ist grösser und lässt sich da aus der Vogelperspektive der dritten Reihe besser beobachten. Ich selbst fühle mich in kleineren plazas sehr wohl und dort in der ersten Reihe, barrera, oder gar im in einem burladero de callejón.
Wo soll ich sitzen?
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Sowohl das Benehmens der umsitzenden Zuschauer als auch die Nähe zum eigentlichen Geschehen beeinflussen den Genuss eines Stierkampfes sehr und mithin kommt der Wahl der Eintrittskarten große Bedeutung zu.
Für den Novizen würde ich einen Platz nicht allzu nahe an der barrera empfehlen, nach Möglichkeit in einer Arena der zweiten oder ersten Kategorie. Eine teure Karte ganz unten lohnt sich nicht, weil das Publikum dort eher schweigend beobachtet und nur selten anerkennend brummt oder aber in spontanen Jubel ausbricht ob eines Details, das dem Neuling höchstwahrscheinlich verborgen bleibt. Zudem werden Novizen aus grosser Nähe von der Gewalt der pica oder einem während der faena sehr stark blutenden Tier oder mehrfachen pinchazos oft sehr mitgenommen, stören sich in diesen Situationen aus grösserer Distanz aber weniger bis gar nicht. In der Mitte der Ränge hingegen hat der Neuling einen besseren Überblick über die gesamte Atmosphäre in der plaza und kann mehr Menschen samt deren oft sorgfältig gewählter Garderobe bewundern. Zudem besteht eine grössere Chance, dass ein Einheimischer dem Touristen einige Details erklärt, was in den eher elitären Kreisen nahe am Geschehen seltener passiert. Und letztlich wird auf den mittleren bis oberen Rängen meist wohlwollender mit den matadores umgegangen, was eine insgesamt positive Atmosphäre schafft.
Persönlich bevorzuge ich einen Platz im tendido sol y sombra, weil es erstens kostengünstiger ist als sombra-Tickets und man zweitens im Verlauf des Nachmittags bei sinkender Sonne sowieso in den Genuss des Schattens kommt. Drittens ist man dort in punkto Nachbarn in der Regel von einer guten Mischung umgeben, weil man von echten aficionados bis zu Gelegenheitsbesuchern bis zu Touristen alles findet und so einen gesunden Querschnitt der Reaktionen auf die Darbietungen erleben kann. Und viertens hat man den Balkon mit dem Präsidenten gut im Blick, weil man nicht ganz auf der anderen Seite der Arena, aber auch nicht direkt unter dem “palco presidencial” sitzt.
Was spezifische Arenen anbelangt, ist mein Lieblingsplatz des tendido 7 in der Real Maestranza zu Sevilla samt der unvergleichlichen Stille, in der man dort dem Geschehen im kirchlichen Sinne “andächtig” folgt, unterbrochen nur vom Zwitschern der Vögel am nahen Guadalquivir oder aber vom mitreissendsten “Olé" der taurinen Welt nach gelungenen Aktionen. Nicht zu verwechseln mit dem tendido 7 in Las Ventas in Madrid, einst eine Hochburg kritischer Betrachter des Geschehens, seit 10-15 Jahren verkommen zu einer Bruderschaft all jener verkommen, die grundsätzlich alle figuras hassen und aggressiv stören, den Stümpern aber verzeihend oder zumindest schweigend begegnen und einen “guten Stier” als ein übergewichtiges Monster definieren, ganz unabhängig von den eigentlichen Qualitäten des Tiers. Selbstverständlich gibt es in Madrid noch immer eine grosse Anzahl von “buenos aficionados”, dank des Fassungsvermögens von 24.000 Menschen und dem wachsenden Anteil der Schickeria ist diese Gruppe aber weniger tonangebend als man sich das wünschen würde und viele matadores und Experten halten das Publikum in Sevilla und Bilbao insgesamt für kundiger.
Wenn sich in Sevilla die tendidos füllen findet man mit die fachkundigsten aficionados |
Als unerträglich empfinde ich die Sonnenseite in Pamplona, wo die Atmosphäre zwischen sturzbesoffenen Menschen aus aller Welt zwar zweifellos ausgesprochen herzlich und unterhaltsam ist, einer Stierkampfarena aber unwürdig und vergleichbar mit Fans von Schalke 04 auf einer Auswärtsfahrt oder einem Heavy-Metall-Open-Air-Festival. Im Schatten hingegen herrscht in Pamplona eine wunderbar familiäre Atmosphäre, die Zuschauer sind Experten mit grossem Fokus auf die Stiere. Viele aficionados bringen ein Vesper mit samt Wein in Lederbeuteln, beides wird grosszügig mit Umsitzenden geteilt, eine tolle Erfahrung.
Noch etwas weiter im Norden stehen die wunderschönen Amphitheater von Nîmes und Arles, die immer eine Reise wert sind, auch wenn die besten corridas Frankreichs an der Antlantikküste veranstaltet werden. Beide coloseos sind oval und es empfiehlt sich ein Sitz auf der Breiseite statt an einer der Spitzen. Vor allem in Nîmes finden oft auch am Vormittag Veranstaltungen statt, so dass sich Besitzer eines “sombra”-Tickets auf einmal in der prallen Morgensonne wiederfinden.
Nîmes, für viele einer der schönsten plaza de toros der Welt (Foto: mundotoro) |
Überall in Spanien, vor allem aber auch in Mexico, empfehle ich dem fortgeschrittenen Studenten der spanischen Kultur auch jenseits der Stiere den Besuch ganz kleiner plaza, in denen das Landvolk wenig von den Details der corrida versteht aber sich mit grossem Ernst der Feierlichkeit des Momentes widmet und mit zunehmendem Alkohol auch der Feier der jeweiligen Gemeinde und sich selbst.
In der mit 42.000 Plätzen grössten Arena der Welt in Mexico City sass ich bislang zweimal an der barrera, allerdings unter sehr unterschiedlich Voraussetzungen: Schwer beeindruckt von der Intensität des Publikums bei der legendären “reaparición” von José Tomás an der Stätte seiner alternativa 2007 vor mindestens zu 90% gefüllten Rängen. Und vollkommen entsetzt während einer regulären corrida des langen Winterzyklus, weil das riesige Rund selbst bei einer Besucherzahl von 3.000-4.000 deprimierend leer wirkt und dann einfach nur eine furchtbar hässliche Betonschüssel ist.
Die Antwort auf die Frage nach dem “richtigen” Platz ist also nur mit einem entschiedenen “kommt ganz darauf an” zu beantworten, je nachdem was für ein Erlebnis der Besucher sucht und in welcher Phase der nie endenden Entwicklung eines aficionados sich die jeweilige Person befindet.
Es gibt keine Unterhaltungsform, wo man bereit ist, so unbequem zu sitzen
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von Ursula Herzog
Die Frage, wo man in der Arena am besten sässe, lässt sich nach verschiedenen Kriterien beantworten. Zunächst einmal muss man klar stellen, ob es um den theoretischen Wunschsitz geht oder um die Plätze, die man am Ende wirklich kauft. Die werden bei den hohen Preisen der entradas immer auch durch die finanziellen Möglichkeiten bestimmt.
Mein Mann und ich sind schon in vielen Kategorien gesessen. Jeder Platz hat sein eigenes Ambiente. Wir sassen in Las Ventas ganz oben unter den Pensionisten gut vor dem Regen geschützt und hatten eine tolle Gesamtschau. Auf halber Höhe hat man sicher den besten Überblick über das gesamte Geschehen.
Sitzt man barrera oder contrabarrera, dann kann man fast mitspielen und kann das Gesicht des matadores beobachten. Sol ist im März in Valencia recht angenehm, wenn es noch ziemlich kühl ist, und kostet außerdem nicht einmal die Hälfte des entsprechenden Platzes sombra. Man bekommt barrera ganz vorne für etwa 50 Euro. sol im Sommer kann schlimm werden.
Valencia: Neben guten corridas, eine preisliche Alternative |
Ich bin 70 Jahre alt und habe eine nicht mehr perfekte Wirbelsäule und auch die Knie sind vom Bergsteigen lädiert. Da spielt natürlich die Bequemlichkeit eine größere Rolle. Mein Traumplatz ist daher butaca de tendido sombra in der Malagueta (bequem und toller Überblick). Wir haben immer wieder festgestellt, dass wir keine Unterhaltungsform kennen, bei der man bereit ist, ohne Pause so unbequem zu sitzen, wie bei einer corrida. Und das manches Mal im Regen. Der Platz, der einem zusteht, ist oft so schmal, dass nur mit Druck alle in die Reihe hineinpassen. In Arles geht es oft nicht einmal mit Druck. Dazu hat man die Knie des Hintermannes im Rücken. Ob es gut wird, dass kann man nie im Vorhinein sagen. Und trotzdem geht man immer wieder hin.
Noch auf ein letztes Wort
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von Philip de Málaga
Eigentlich ist alles schon geschrieben worden. Die Tendenz eindeutig. Wer nach einer preislichen Alternative im Mittelbereich, aficionados im Umfeld und eine gewisse Nähe zum eigentlichen Geschehen im ruedo sucht, ist gewiss in den filas 3 bis 5 im tendido sol y sombra gut untergebracht. Aber Achtung, einige plaza de toros verfügen logischerweise über zwei sol y sombra, die Bereiche eben zwischen Sonne und Schatten. Da macht es Sinn nachzufragen, wo sich denn hauptsächlich die afición befindet. In der La Malagueta in Málaga ist es zum Beispiel der tendido 3 (nicht tendido 6, welcher ebenfalls ein sol y sombra ist, aber vorwiegend den Nichtkennern der Szene angeboten wird).
Was die barrera-Plätze im sombra angeht, sie haben vor allem den Vorteil, dass man das Geschehen im callejón verfolgen kann, da sich dort alle Beteiligten aufhalten. Besonders wenn man der spanischen Sprache mächtig ist und die Kommunikationen unter den toreros mitverfolgen kann, also mitbekommt, wie sie das Geschehen im ruedo beurteilen oder welche Tips sie den Akteuren zurufen.
(Foto: Lexikon des Stierkampfs Dr. Andreas Krumbein) |
Wenn man keinen anderen Zuschauer vor sich haben möchte gibt es nur vier Möglichkeiten. Da wäre zunächst die erste Reihe, die barrera, dann die erste fila, welche sich hinter dem Gang zwischen barrera und den filas befindet (Achtung: in einigen plaza de toros nennt sich diese Reihe contrabarrera, obwohl diese eigentlich direkt hinter der barrera und noch vor dem Gang liegen sollte). Dann die ersten Reihen, delanteras in den Rängen (pisos) und die Sitzplätze über den Zugängen zu den tendidos.
In der peña taurina in der Malagueta sind die beliebtesten asientos die filas 3 und 4 im sombra. Zum einen bekommt man da gerade noch mit, was im callejón so vor sich geht, und zum anderen kann man die matadores besser bei ihrer Arbeit beobachten, wenn sie mit ihrem toro in der Nähe der barrera agieren. Von dort kommen auch die kompetenten Kommentare und manchmal wird lautstark das Geschehen mit dem reglamento taurino und anderen historischen Ereignissen verglichen.
Das es unbequem sein könnte, meistens sitzt man nicht nun eng zusammengedrängt sondern auch auf Stein, hat Ursula Herzog schon angesprochen, ein Grund sich beim Eingang ein Sitzkissen zu besorgen. Einige aficionados bringen sich ihre eigenen mit.