von Philip de Málaga
Polemik in Alicante
Über den Versuch ein Stierkampfplakat zu verbieten
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Das man im sector antitaurino alles unternimmt um die mundo de los toros komplett zu verbieten, ihr das Leben schwierig zu machen, scheint mehr als nur nachvollziehbar. Nichts desto trotz sollten sich auch deren Argumentationstechniken in einem nachvollziehbaren Bereich befinden. Da kommt nicht selten viel Polemik ins Spiel und jene gezielten Beleidigungs- und Diffamierungskampagnen seien mal bewußt beiseite gelassen.
In der spanischen Hafenstadt Alicante mit gut 330.000 Einwohnern, südlich von Valencia, haben die toros viel Tradition. Schon seit dem 15. Jahrhundert wurden in der dortigen 2.000-Seelengemeinde festejos populares dokumentiert. Das erste festejo taurino mit königlicher Präsenz wird auf das Jahr 1605 datiert. Eine erste richtige Plaza de Toros entstand 1847. Aber erst nach dem grossen Umbau wurde mit einem damals stolzen aforo für 15.235 Zuschauer am 8. Juni 1888 der neue coso alicantino eingeweiht, bei der die berühmten figuras Frascuelo, Lagartijo und Guerrita sogar unter anderem gegen toros der ganadería Miura antraten. Ein Ort mit einer 170-jährigen Tradition der tauromaquia. Da kann man sehr wohl den Titel des Kulturerbes rechtfertigen.
Schon seit 1988 verfügt die Hafenstadt Alicante über eine grosse Plaza de Toros |
Und nun in der Gegenwart zieht die Plaza de Toros der 2. categoría jährlich zu ihren vier corridas de toros, dem rejoneo und einer novillada tausende von aficionados an. Im letzten Jahr wurden, weil unter anderem der populäre matador de toros José Tomás antrat, alle abonos verkauft. An die 90.000 Zuschauer in nur einer Woche! Die ganze spanische Pressewelt schaute nach Alicante um zu sehen, was der maestro aus Galapagar bei Madrid im ruedo leistete. Die tendidos wurden mit tres orejas belohnt. Die mundo taurino freute sich und war begeistert.
2016: Volles Haus in Alicante |
Und nun, ein Jahr später schaut die spanische Medienlandschaft erneut nach Alicante. Eine feria taurina beginnt mit einer Ankündigung, einem so genannten cartel. Und genau jenes cartel taurino 2017 für Alicante sorgte für Aufregung, für viel Polemik.
Am Dienstag der letzten Woche wurde im Kreistag, auffallend spontan, durch das mehrheitliche Bündnis linker Regionalparteien, Compromís, die alcantinische Vereinigung Guanyar Alacant, welcher unter anderem die linkspopulistische Podemos angehört und auch die sozialistische Arbeiterpartei PSOE beschlossen, nicht die toros zu verbieten, sondern das cartel taurino. Was ist geschehen?
Im sector taurino ist man verständlicherweise vor allem in den letzten Jahren besonders bemüht, den kulturellen Anspruch der tauromaquia zu unterstreichen. Für viele aficionados de toros ein viel zu spätes Bestreben. Denn gerade im Umgang mit den intellektuellen aficionados tun sich die antitaurinos besonders schwer. So auch in diesem Fall.
Auslöser von dem ganzen Trubel war auf dem cartel taurino die Darstellung des spanischen Poeten und Dramatikers Miguel Hernández Gilabert (1919 - 1942, zu seinem 75-jährigen Tod), dessen Porträt vor dem Kopf eines toros zu sehen ist. Neben der Büste des Schriftstellers finden sich Auszüge aus seiner Poesie Llamo al toro de España.
Für die linke Politikerschaft symbolisiert Hernández den Kampf für die Freiheit. Er beteiligte sich aktiv am spanischen Bürgerkrieg (1936 - 1939) auf Seiten der Republikaner, und nahm im Juli 1937 am II. Internationalen Schriftsteller Kongress für die Verteidigung der Kultur in den Städten Barcelona, Valencia, und Madrid teil, wo sich auch berühmte Schriftsteller einfanden wie Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger oder Pablo Neruda.
Das war eine klare antifaschistische Kampfansage. Doch der Krieg war für die Republikaner verloren, Franco übernahm die Macht, und Miguel Hernández war gezwungen, nachdem das faschistische Regime die Vernichtung zahlreicher seiner Werke anordnete, die Flucht anzutreten. Es gelang ihm die Grenze nach Portugal zu erreichen und auch zu überqueren. Aber da er ohne Dokumente war, wurde er spontan von den portugiesischen Polizisten der Guardia Civil übergeben. Er kam in das Gefängnis von Sevilla, wurde dann in das berühmte Gefängnis von Madrid, dem Cárcel de Torrijos überwiesen. Dank des Einflusses seines Freundes Pablo Neruda kam er aber im September 1939 ohne Prozess wieder auf freien Fuss. Doch nur für kurze Zeit. Denn nur wenige Monate später wurde er wieder verhaftet und im März 1940 zum Tode verurteilt. Und wieder traten seine intellektuellen Freunde, allen voran José María de Cossío (der Gründer des grössten Lexikons über die tauromaquia, den COSSÍO), für ihn ein und noch im selben Sommer verwandelte die Justiz die Todesstrafe von Miguel Hernández in eine 30-jährige Haft. Er wurde im September in das Gefängnis von Palencia und von dort nach Ocaña in Toledo verlegt. Ein Jahr später brachte man ihn nach Alicante, wo er die Zelle mit dem bekannten spanischen Maler und Schriftsteller Antonio Buero Vallejo teilte. Noch im selben Jahr erkrankte er an Tuberkulose und starb am 28. März 1942 um 5.32 Uhr.
Und an diesem Punkt setzen die links-sozialistischen Politiker an und meinten, das ein Freiheitskämpfer, der mit seinem Leben sich für die Demokratie einsetzte, für die Freiheit menschlichen Handels und Denkens stand, eben wie unter anderem links orientiertes Gedankengut, und sein Leben verlor, nichts auf einem cartel taurino zu tun habe. Seine Büste auf einem Plakat was für eine Veranstaltung für ein "Vergnügen des Tötens" werbe, könne nicht für seine Ideologie stehen. Und genau hier irren die Befürworter von dem Verbot.
Denn der Name Miguel Hernández lässt sich sehr wohl mit der mundo de los toros in Einklang bringen. Zum einen pflegte er Freundschaften zu zahlreichen aficionados de toros, wie auch zu Pablo Neruda oder Vicente Aleixandre und zum anderen verstand er sich in der poesía taurina. Und allein schon in seiner bekanntesten Poesie wird es im Titel Llamo al Toro de España ersichtlich: Der toro und Spanien, das gehört irgendwie zusammen.
Die toros stellen in allgemeinen Werk von Miguel Hernández eine wichtige Metapher da, in welcher nicht nur der Ruhm oder die Niederlage in der mundo de los toros dargestellt wird, sondern er erkennt in der tauromaquia die Tragödie der menschlichen Existenz. Seine Art und Weise die eigene Weltanschauung zu präsentieren. So steht im Zentrum seiner Gedichte der toro bravo, ein wildes Wesen, bereit zu töten, welcher im ruedo gegen den torero, den Menschen antritt, um die Menschheit mit der eigenen begrenzten Existenz zu konfrontieren.
Da Hernández genauso wie der toro vom Land kommt, identifiziert er sich auch mit ihm. In ihm sieht er die Leidenschaft, die Zerstörung, die Liebe und die Eroberung des Lebens.
1934 kam Miguel Hernández in den direkten Kontakt mit der mundo de los toros. Sein grosser Freund und Förderer José María de Cossío nahm ihn mit in sein Team, um in der Redaktion für das monumentale und einzigartige Nachschlagewerk über Stierkampf, den COSSÍO, mitzuarbeiten. Mit viel Euphorie ging Hernández an die Arbeit.
Es geht sogar weiter. In der Literatur spricht man von der tauromaquia hernandina, wo das Sein des Menschen und seine Rechtfertigung dazu im Mittelpunkt stehen. Insbesondere der toro und der toreo. Eine Begegnung die vom Schicksal bestimmt zu sein scheint, vom beherrschten, geradezu stoischen Beginn bis hin zum Sieg über den Tod. Besonders häufig wird diesbezüglich die Poesie Citación fatal (Verhängnisvolle Aufforderung) in Verbindung gebracht. Der zweite Teil von diesem Gedicht beginnt mit Morir es una suerte como vivir (Zu sterben ist eine suerte wie zu leben). Unter einer suerte versteht man im toreo ein jegliches Manöver, welches von einem torero mit capa oder muleta mit dem toro durchgeführt wird. Im wahren Leben reflektiert sich in der suerte die Art und Weise im Umgang mit den Gegebenheiten. Diese Zeilen widmete Hernández in Anspielung an die Tragödie des Lebens dem torero Mejías Sánchez, welcher auf tragische Weise den Tod fand (SfA-Mitarbeiterin Torodora Gorges hat sich auf ihrer Webseite torodoro mit diesem torero auseinandergesetzt).
Es lässt sich nun mal nicht verleugnen. Hernández und die toros das geht sehr wohl. Selbst im Kreistag von Alicante merkte man, auch auf den Druck der Medien hin, mit diesem Vorgang sich doch eher der Lächerlichkeit preisgegeben zu haben. In der konservativen Tageszeitung ABC sprach die empresa von einem politischen Vandalismus. Andere bezeichneten es als sterile Polemik.
Selbst die Ausrede der eher links orientierten Politiker, Plakate müssten grundsätzlich zuerst einmal von der Politik abgesegnet sein, wirkte doch eher bescheiden. Auch der Hinweis, dass dieses Verbot nicht als ein Angriff auf die corridas de toros zu verstehen sei, wirkte sicherlich nicht überzeugend. Und so kam es schnellstens zur Schadensbegrenzung. Nur einen Tag später, am Mittwoch den 17. Mai machte der Kreistag von seinem Verbot einen Rückzieher.
Ende der Polemik.
Auslöser von dem ganzen Trubel war auf dem cartel taurino die Darstellung des spanischen Poeten und Dramatikers Miguel Hernández Gilabert (1919 - 1942, zu seinem 75-jährigen Tod), dessen Porträt vor dem Kopf eines toros zu sehen ist. Neben der Büste des Schriftstellers finden sich Auszüge aus seiner Poesie Llamo al toro de España.
Für die linke Politikerschaft symbolisiert Hernández den Kampf für die Freiheit. Er beteiligte sich aktiv am spanischen Bürgerkrieg (1936 - 1939) auf Seiten der Republikaner, und nahm im Juli 1937 am II. Internationalen Schriftsteller Kongress für die Verteidigung der Kultur in den Städten Barcelona, Valencia, und Madrid teil, wo sich auch berühmte Schriftsteller einfanden wie Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger oder Pablo Neruda.
Das war eine klare antifaschistische Kampfansage. Doch der Krieg war für die Republikaner verloren, Franco übernahm die Macht, und Miguel Hernández war gezwungen, nachdem das faschistische Regime die Vernichtung zahlreicher seiner Werke anordnete, die Flucht anzutreten. Es gelang ihm die Grenze nach Portugal zu erreichen und auch zu überqueren. Aber da er ohne Dokumente war, wurde er spontan von den portugiesischen Polizisten der Guardia Civil übergeben. Er kam in das Gefängnis von Sevilla, wurde dann in das berühmte Gefängnis von Madrid, dem Cárcel de Torrijos überwiesen. Dank des Einflusses seines Freundes Pablo Neruda kam er aber im September 1939 ohne Prozess wieder auf freien Fuss. Doch nur für kurze Zeit. Denn nur wenige Monate später wurde er wieder verhaftet und im März 1940 zum Tode verurteilt. Und wieder traten seine intellektuellen Freunde, allen voran José María de Cossío (der Gründer des grössten Lexikons über die tauromaquia, den COSSÍO), für ihn ein und noch im selben Sommer verwandelte die Justiz die Todesstrafe von Miguel Hernández in eine 30-jährige Haft. Er wurde im September in das Gefängnis von Palencia und von dort nach Ocaña in Toledo verlegt. Ein Jahr später brachte man ihn nach Alicante, wo er die Zelle mit dem bekannten spanischen Maler und Schriftsteller Antonio Buero Vallejo teilte. Noch im selben Jahr erkrankte er an Tuberkulose und starb am 28. März 1942 um 5.32 Uhr.
Die Nobelpreisträger Vicente Aleixandre und Pablo Neruda waren gute Freunde von Hernández. |
Denn der Name Miguel Hernández lässt sich sehr wohl mit der mundo de los toros in Einklang bringen. Zum einen pflegte er Freundschaften zu zahlreichen aficionados de toros, wie auch zu Pablo Neruda oder Vicente Aleixandre und zum anderen verstand er sich in der poesía taurina. Und allein schon in seiner bekanntesten Poesie wird es im Titel Llamo al Toro de España ersichtlich: Der toro und Spanien, das gehört irgendwie zusammen.
Link: LLAMO AL TORO DE ESPAÑA |
Miguel Hernández mit einem jungen novillo. |
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"Der toro verwandelt sich
zum Spiegelbild der Menschheit."
Miguel Hernández
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José María de Cossío |
Es geht sogar weiter. In der Literatur spricht man von der tauromaquia hernandina, wo das Sein des Menschen und seine Rechtfertigung dazu im Mittelpunkt stehen. Insbesondere der toro und der toreo. Eine Begegnung die vom Schicksal bestimmt zu sein scheint, vom beherrschten, geradezu stoischen Beginn bis hin zum Sieg über den Tod. Besonders häufig wird diesbezüglich die Poesie Citación fatal (Verhängnisvolle Aufforderung) in Verbindung gebracht. Der zweite Teil von diesem Gedicht beginnt mit Morir es una suerte como vivir (Zu sterben ist eine suerte wie zu leben). Unter einer suerte versteht man im toreo ein jegliches Manöver, welches von einem torero mit capa oder muleta mit dem toro durchgeführt wird. Im wahren Leben reflektiert sich in der suerte die Art und Weise im Umgang mit den Gegebenheiten. Diese Zeilen widmete Hernández in Anspielung an die Tragödie des Lebens dem torero Mejías Sánchez, welcher auf tragische Weise den Tod fand (SfA-Mitarbeiterin Torodora Gorges hat sich auf ihrer Webseite torodoro mit diesem torero auseinandergesetzt).
Es lässt sich nun mal nicht verleugnen. Hernández und die toros das geht sehr wohl. Selbst im Kreistag von Alicante merkte man, auch auf den Druck der Medien hin, mit diesem Vorgang sich doch eher der Lächerlichkeit preisgegeben zu haben. In der konservativen Tageszeitung ABC sprach die empresa von einem politischen Vandalismus. Andere bezeichneten es als sterile Polemik.
Selbst die Ausrede der eher links orientierten Politiker, Plakate müssten grundsätzlich zuerst einmal von der Politik abgesegnet sein, wirkte doch eher bescheiden. Auch der Hinweis, dass dieses Verbot nicht als ein Angriff auf die corridas de toros zu verstehen sei, wirkte sicherlich nicht überzeugend. Und so kam es schnellstens zur Schadensbegrenzung. Nur einen Tag später, am Mittwoch den 17. Mai machte der Kreistag von seinem Verbot einen Rückzieher.
Ende der Polemik.
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Quellennachweise:
EL Simbolismo del Toro en la Obra Poética de Miguel Hernández von Mariate Cobaleda, Universität von Salamanca 2005
Poemas del Alma, Portal über spanische Poesie
poesiacastellana, Portal über spanischsprachige Poesie
ABC Comunidad Valenciana
Quellennachweise:
EL Simbolismo del Toro en la Obra Poética de Miguel Hernández von Mariate Cobaleda, Universität von Salamanca 2005
Poemas del Alma, Portal über spanische Poesie
poesiacastellana, Portal über spanischsprachige Poesie
ABC Comunidad Valenciana