Mittwoch, 16. August 2017

Wehret den Gutmenschen!

Eine Mentalanalyse zu dem Leserbrief von Frau Tina W.
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 von Hans-Jürgen Döpp


Es geht mir nicht darum, den Stierkampf argumentativ zu verteidigen. Es geht mir um eine Analyse der Mentalität des Briefeschreibers sowie vieler Anti-Taurinos.

Ob man für oder gegen den Stierkampf Partei ergreift: Man kann sich intellektuell mit dieser Thematik auseinandersetzen. Die Schreiberin der Mail umgeht aber eine Auseinandersetzung, indem sie von vornherein alle aficionados als „wenig intelligent, primitiv und asozial“ diffamiert. Wer derart in eine Diskussion einsteigt, begibt sich von vornherein der Chance, die Argumente des Gegenübers wahrzunehmen. Es ist ein sich selbst abschottender, autoritärer Gestus, der – quasi selbstbefriedigend – sich nur in seiner eigenen Emotionalität suhlt und darin eine krude Selbstbestätigung erfährt. An „Wahrheit“ ist man nicht interessiert.

Bildung, Empathie und Verstand“, die sie bei den aficionados vermisst, sind bei ihr selber vergeblich zu suchen. Schon dass sie „toreros“ mit zwei r schreibt (torreros), darf vermuten lassen, dass sie vom Gegenstand ihrer „Kritik“ keine Ahnung hat.
Madrid an nur einem (von über dreissig im Jahr) tarde de toros: 24.000 aficionados, toreros
und andere Helfer, alle ohne Bildungsniveau, Empathie und Verstand?
Von „dumpfer Mentalität“ sind ihr die Anhänger des Stierkampfes. Was aber ist dumpfer als der naive Rekurs auf die Plattitüde von der „Unschuld der Tiere“? 

Damit aber wähnt sie sich auf der besseren Seite der Menschheit, verrät ihre Pose aber durch menschenverachtende Äusserungen, in denen sie den aficionados und toreros die Menschenrecht abspricht! Es fehlt, dass sie von „Untermenschen“ spricht, um Bezüge zum faschistischen Denken zu verdeutlichen. Zu diesen gehören für sie nicht nur die Gitanos, die der dunklen Seite der Geschichte zugeschlagen werden, einer „Kultur der Urmenschen“, sondern auch die „lächerlichen, kleinwüchsigen und feigen Gestalten der toreros. Aus dem Kontext antisemitischen Denkens kennt man solche Charakterisierungen allzu gut! Alles Negative, das man in sich selbst empfindet, wird nach außen „externalisiert“, in „den anderen“ projiziert! So gelingt es, sich selber als „Gutmensch“ zu stilisieren.
Dumpfe mentale Proleten“ seien diaficionados. Hemingway, Picasso, der Nobelpreisträger Mario Vargas LLosa – dumpfe Proleten?!

Schon ihre Abwertung der spanischen Politik und Kultur verrät eine grenzenlose Verachtung und Aggressivität; lässt sich das, was sie über die Situation der Schulen, des Kanalsystems und der Strassen nicht auch auf manche deutsche Verhältnisse übertragen?! Den „normalen Europäer“ befalle ein Würgreiz, - womit sie die Spanier aus ihrem – und unserem - Europa ausschließt! Ihre heftige idiosynkratische Abneigung bestimmt ihre gesamte Argumentation. Ihre Abwertung der anderen Kultur lässt auf einen Ethnozentrismus schließen, der die Überlegenheit der eigenen  Kultur betont. Doch gegen eine Grille im Kopf lässt sich nicht argumentieren.

Wir werden nicht wegsehen…“, „Wir können uns sicher sein…“: Nein, sie steht nicht alleine mit ihrer Grille, sie versichert sich, um ihrer Position Gewicht zu verleihen, der Zustimmung einer vagen Allgemeinheit: die der „Normalen Europäer“ und der „Gutmenschen“. So zementiert sie ein dichotomisches Weltbild: die Bösen gegen die Guten. Dahinter verbirgt sich ein Potential antidemokratischer Einstellungen, das schnell eine Nähe zum faschistischen Denken erlangen kann.

Der gesamte Argumentationsstil der Schreiberin mutet triebhaft-aggressiv an: ein redundantes Hadern mit den immer gleichen destruktiven Vorwürfen.

Sie aber schwenkt die reine Fahne der Unschuld, die  ein gefährliches Denken kaschiert. Wehret den Gutmenschen!
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Über den Autoren
Hans-Jürgen Döpp ist Pädagoge, Kultursoziologe, Kunstsammler und Autor aus Deutschland. In dem Link von aspasia wird unter anderem auf sein Werk "edition de lœil" hingewiesen.