Hat der Stierkampf eine echte Chance von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt zu werden?
Dresden trauert. Da bauen sie eine Beton-Metall-Konstruktion durch ihr Kulturerbe und schon ist der Titel weg. Kulturelles Eigentor mit Ansage! Aber wir sind in Spanien und wollen so von einem der spanischsten aller spanischen Themen reden, vom Stierkampf. Und schafft man hier eine Verbindung, also vom Stierkampf zum Weltkulturerbe, da stellt sich doch die Frage, der Stierkampf als Weltkulturerbe, geht das überhaupt?
Man muss nur in die Gesichter der resignierten Tierschützer schauen um nur zu erahnen, da scheint wirklich etwas dran zu sein. Die Chancen auf Erfolg, den angestrebten Eintrag des Stierkampfes als Weltkulturerbe der UNESCO durchzusetzen, schließen inzwischen auch eingefleischte antitaurinos nicht mehr aus. Die Lobbyisten seien zu mächtig und verfügen über zu viele politische Beziehungen, als dass ihre Forderungen ignoriert werden könnten. Denn man lebe in einer Zeit des Verfalls jeglicher moralischer Werte.
Der Anfang
Es begann in Paris am 17. Oktober 2003 als die UNESCO (Vereinte Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur) ein Übereinkommen zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes verabschiedete. Nachdem 30 Staaten es ratifiziert hatten, trat es zum 20. April 2006 in Kraft. Während Deutschland in der offiziellen Liste noch nicht zu finden ist, ist Spanien schon mit zwei immateriellen Kulturerbschaften vertreten: Den Mysterienspielen von Elche und dem Patum-Fest von Berga.
Die spanische Stierkampflobby erkannte schon sehr früh, dass ein Antrag zum Weltkulturerbe nur dann Aussichten auf Erfolg habe, wenn alle stierkampfpraktizierenden Länder gemeinsam vorgehen würden. So wurde Ende 2004 in Madrid die internationale Stierkampforganisation AIT (La Asociación Internacional de Tauromaquia) gegründet, mit dem Hauptziel den Stierkampf in die UNESCO-Liste mit aufzunehmen. Der Präsident der AIT, D. Williams Cárdenas Rubio rechtfertigt seinen Antrag damit, dass sich die Tauromaquia über Jahrhunderte hin entwickelt hätte und somit fundamentaler Bestandteil des sozialen, politischen und kulturellen Lebens des spanischen Volkes sei. Sein Einfluss reflektiere sich auf allen intellektuellen und künstlerischen Ebenen und bildet die Essenz der Hispanität. Hinzu betont er die länderübergreifende Wirkung, allen voran mit Frankreich, Portugal, Mexiko, Kolumbien, Peru, Venezuela und Ecuador, mit dessen politischer Unterstützung der jeweiligen Regierungen zu rechnen sei.
So wurde von der AIT im November 2005 der spanischen Kulturministerin Doña María del Carmen Calvo Poyato ein öffentliches Schreiben zugestellt mit der Aufforderung sich in dieser Angelegenheit als Vertreter Spaniens an die UNESCO zu wenden. Auch an die spanische Königstochter Doña Cristina de Borbón y Grecia wandte man sich in dieser Angelegenheit, sich doch für den Stierkampf als Kulturerbe einzusetzen.
Dem Vorgehen wurde ein Name gegeben:
Das Proyecto Tauromaquia-UNESCO.
Um politische Interessen bezüglich der Fiesta nacional zu wahren wurde im Juni 2006 die ATP (Asociación Taurina Parlamentaria) gegründet, der sich auf Anhieb 150 Senatoren anschlossen. Das sind immerhin schon 57 Prozent! Es folgten verschiedene Werbeveranstaltungen, so auch 2007 bei der Feria del toro in Portugal wo man bei den iberischen Brüdern auf viel Zustimmung gestoßen ist.
Weitere Hoffnung konnte die afición schöpfen, als die Schriftliche Erklärung für ein europaweites Verbot von Stierkämpfen am 15. Mai 2007 von ¾ der EU-Parlamentarier abgelehnt worden ist. Besonders schlimm für die antitaurinos, selbst bei den europäischen Tierschützern forderte nur die Hälfte ein Verbot. Und schließlich brachte dieser Antrag noch eine Erkenntnis zu Tage: Die politische Rückendeckung in Ländern wo Stierkampf praktiziert werde beträgt 92 Prozent, was natürlich die AIT bestärkt.
Am 4. und 5. Juli 2008 wurde die Welt der Tauromaquia im europäischen Parlament vorgestellt. Parallel dazu lief eine Ausstellung in Brüssel mit dem Titel „Entre el Hombre y el Toro“. Mit der Präsenz berühmter matadores de toros wie die Spanier Enrique Ponce, "El Juli" und des Franzosen Sebastián Castella wurde das Feedback der europäischen Parlamentarier durchaus als sehr positiv bewertet. Selbst die Tierschutzorganisationen mussten einräumen, dass die Chancen für einen Eintrag als Weltkulturerbe der UNESCO sehr gut stehen.
Im November 2008 kamen alle parlamentarischen Mitglieder der Organisationen für den Stierkampf aus Spanien, Frankreich, und Portugal in Madrid zusammen und beschlossen, dass man unter Berücksichtigung der kulturellen und artistischen Werte der Tauromaquia alles Nötige in die Wege leiten werde, mit dem Ziel den Stierkampf als Eintrag in die Liste der Kulturerben zu erlangen.
Auf dem Fórum Mundial de la Cultura Taurina welches im Januar 2009 auf Terceira (Azoren) stattfand würdigte man ebenfalls das UNESCO-Projekt.
Auch die andalusische Landesregierung (Junta de Andalucía) fördert dieses Projekt in besonderem Masse.
Mittlerweile hat sich fast jede Organisation aus dem Stierkampfgewerbe dem Projekt Stierkampf-UNESCO angeschlossen. Allen voran in der Organisation Mesa del Toro aus Madrid, in der sich 15 Verbände zusammengeschlossen haben, und die gerade am 6. Juni 2009 bei einem internationalen Treffen ihre vollkommende Unterstützung zusagte.
Mehrere Städte mit Stierkampftradition bewerben sich als spanisches immaterielles Kulturgut
Damit die spanische afición ihrem Schritt zum Weltkulturerbe näher kommt, haben sich erstmals mehrere Veranstaltungen für die Wahl zum Spanischen Kulturerbe für die immateriellen Kulturgüter bei der IBOCC (International Bureau of Cultural Capitals) beworben. Von den 45 Bewerbungen werden 10 Kulturgüter zum Patrimonio Cultural Inmaterial de España deklariert. Aus dem Bereich des Stierkampfes haben sich Städte mit ihren Ferias und Fiestas beworben, wo der Stierkampf ein nicht wegzudenkender und stark integrierter Bestandteil darstellt:
Da wären unter anderem:
Pamplona: Sanfermines
Valencia: Las Fallas
Sevilla: Feria de Abril
Jerez de la Frontera: Feria del Caballo
Bei der Wahl sollen traditionelle Werte einen besonderen Aspekt darstellen.
Stierkampfgegner wie Stop Corrida befürchten: "Wenn jedoch die Anerkennung als spanisches Kulturerbe erreicht ist, wird der Antrag für das Weltkulturerbe der UNESCO sicherlich bald folgen."
Ganz aktuell hat SOS Galgos einen offenen Brief an die UNESCO gerichtet, wobei selbst sie eingestehen: “Das Projekt Stierkampf-UNESCO / “Proyecto Tauromaquia de la UNESCO” ist inzwischen weit fortgeschritten” und es sei kein Hirngespinst. Erbittert stellen sie fest, dass der Optimismus der Stierkampfanhänger alarmierend ist und zeigt, dass sie sicher sind, ihr Ziel zu erreichen. Auch die Fellbeisser Tierschutznachrichten sprechen von einer “Höchsten Alarmstufe” und wollen informieren wie ernst die Gefahr ist, dass der Stierkampf zum Kulturerbe erklärt wird.
Fazit
Die Stierkampflobby schleicht sich leise im Untergrund an ihr Ziel. Auf große Konfrontationen mit antitaurinos legt sie keinen Wert und achtet bei ihren Werbekampagnen stets auf eine positive Stimmung. So ist die AIT nun schon so weit vorangekommen, was sich nicht mal die größten Optimisten zu träumen gewagt hätten.
Ob der Stierkampf nun wirklich zum Weltkulturerbe geadelt wird, ist sicherlich noch recht offen und auch eine Frage der Zeit und des politischen Stimmungsbarometers. Aber genau an diesem letzten Punkt setzt die Lobby an und zieht somit wichtige Entscheidungsträger auf ihre Seite.