Freitag, 31. Juli 2009

Ist Stierkampf Kunst? (2. Teil)

Eine Medaille der Schönen Künste

Auch in diesem Jahr wurde vom spanischen Kultusministerium ein Stierkämpfer mit der Medalla de Oro de las Bellas Artes del Consejo de Ministros, der Goldenen Medaille für Schöne Künste ausgezeichnet. Neben dem bekannten Liedermacher Miguel Bosé und dem Sternekoch Juan María Arzak kommt der Matador de toros Fran Rivera Ordóñez zu Ehren. Er ist damit der dreizehnte Torero dem eine solche Auszeichnung zuteil wurde:

1996 - Antonio Ordóñez
1997 - Curro Romero und Santiago Martín Sánchez "El Viti"
1998 - Pepe Luis Vázquez und Miguel Báez «El Litri»
1999 - Álvaro Domecq y Díez
2000 - Antoñete
2001 - Rafael de Paula
2002 - Manolo Vázquez
2003 - Ángel Luis Bienvenida und Juan Antonio Ruiz Espartaco
2004 - Paco Camino
2005 - José María Manzanares
2006 - Enrique Ponce 2007 - José Tomás 
2008 - Francisco Rivera Ordóñez
2009 - Luis Francisco Espla (Nachtrag)
2010 - Pepe Martín Vázquez und José Miguel Arroyo "Joselito" (Nachtrag)

Ist Stierkampf als Kunst Teil einer Kultur?

Der Historiker Rolf Neuhaus (geb. 1951) gab seinem 2007 erschienen Buch „Der Stierkampf“ den Untertitel: „Eine Kulturgeschichte“. Karl Braun, Kulturwissenschaftler aus Berlin (geb. 1952) sieht in der corrida ein Kulturereignis, welches ein großes Menschheitsdrama vorführt. Auch beim Internetportal Taurosidona ist man sich einig: “Stierkampf ist eine Kunst. Kunst ist etwas das alle Jahrzehnte und Jahrhunderte, Krisen, Kriege und Regierungsformen nicht nur überdauert, sondern sich auch entsprechend ändert. Kunst ist immer ein Spiegel einer jeweiligen Epoche. Das sieht man auch an der corrida”. Es herrscht wohl Übereinstimmung: Kultur, Geschichte und Tradition scheinen sich zu decken. Auch beim Stierkampf. Da wird kaum diskutiert.

Aber die afición will mehr und geht weiter: Schon seit 2004 ist man bestrebt die Tauromaquia von der UNESCO als Weltkulturerbe erklären zu lassen. Dem Kind gab man sogar einen Namen: El Proyecto Tauromaquia-UNESCO. Ein Projekt, dass zum Entsetzen der Stierkampfgegner durchaus Aussicht auf Erfolg hat.

Und der Stierkampf, als Gegenstand der Kunst?

Die Tauromaquia nicht für die Kunst, sondern als Kunst? Für den bekannten spanischen Schriftsteller Antonio Gala (geb. 1932, Autor von „Die Handschrift von Granada“) ist es klar: „Der Stierkampf ist eine Kunst die vor allem Kopfarbeit und Bewusstsein verlangt! Und “er ist vor allem eine geistige Aufgabe!“. Der Wiener Professor Rainer Bischof (geb. 1947) muss es ähnlich sehen, nennt er sein Hauptkapitel über die einzelnen Phasen des Stierkampfs: „Arte de torear“ (Die Kunst mit den Stieren zu kämpfen). An anderer Stelle bezeichnet er es als “die umfassendste Darstellung des Lebens im Sinne des Theaters”. Also als eine Art künstlerischer Kommunikation zwischen Akteuren und den Zuschauern. Und bei Lorenz Rollhäuser (geb. 1953) lesen wir in einem Zitat, dass der berühmte Torero Belmonte „besser als jeder andere Künstler gewesen sei“. Keine Frage, viele vertreten den Standpunkt, dass wir hier über Kunst reden.

Gewiss, solche Auffassungen sind recht subjektiv. Und es versteht sich von selbst, dass es da auch Andersdenkende gibt: Die schottische Schriftstellerin A. L. Kennedy (geb. 1965) schrieb, „dass man die Schönheiten einer corrida nur entdecken kann, wenn man bereit ist, über eine Menge Ungeschicklichkeit, Widerwärtigkeit und Durcheinander, über Fehler, Versagen und mangelndes Können, hinwegzusehen.“ Und schließlich stellt sie nach einem schlechten Stierkampf fest, dass “ein solches Gemetzel kaum mit den Begriffen der Kunst zu rechtfertigen sei”. Auch das ist eine Meinung dazu.

Im Mai diesen Jahres gab es in der spanischen Hauptstadt eine Demonstration mit ungefähr 250 Teilnehmern gegen die Tauromaquia: „Stierkampf sei weder Kunst, noch Kultur.” Auch diese Botschaft ist eindeutig.
Man kann zu diesem Thema stehen wie man möchte, die Tauromaquia liefert als Objekt viel künstlerischen Raum für kulturelle Ansprüche. Die Kunst selbst versteht sich als ein menschliches Kulturprodukt. Und so kann man beobachten, dass ein Großteil der Gegner dieses nicht mal in Frage stellt. Der künstlerische Anspruch von Stierkämpfen wird auch fast nie diskutiert. Antitaurinos interessieren sich in erster Linie nur für den Rechtsanspruch. Denn sie wissen sehr wohl, würden sie darüber diskutieren, ob Stierkampf Kunst sei oder nicht, würden sie automatisch die Tauromaquia in den Stand menschlicher Kulturgüter adeln.
Würde man dem Stierkampf den Kulturstempel entziehen, würde er nicht mehr unter die Kunstfreiheit einer modernen Demokratie fallen. Und ohne dieses Fundament wäre er in der Tat rechtlich wie moralisch angreifbar. Ein Grund mehr für die Stierkampfgegner zu versuchen, das Projekt UNESCO zu vereiteln.

Siehe auch: Ist Stierkampf Kunst? (1. Teil)
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Quellennachweise:

Cossío, Los toros , Band 10 und 11, Espasa S.L., Calpe 2007
Wiesbadener Tagblatt vom 11.10.2008
Theophile Gautier, Reise in Andalusien, Deutscher Taschenbuchverlag, München 1977
Ernest Hemingway, Fiesta, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 1950
Ernest Hemingway, Tod am Nachmittag, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 1957
Larry Collins & Dominique Lapierre, … oder du wirst Trauer tragen, Goldmann Verlag, München 1988
Rolf Neuhaus, Der Stierkampf – Eine Kulturgeschichte, Insel Taschenbuch Verlag, Frankfurt 2007
Karl Braun, Der Tod des Stieres,Verlag C.H. Beck, München 1997
Antonio Gala, Paisaje andaluz con figuras, Editoriales Andaluzas Unidas, Granada 1984
Rainer Bischof, Heilige Hochzeit, Böhlau Verlag, Wien 2006
Lorenz Rollhäuser, Toros, Toreros, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 1990
Alison Louise Kennedy, Stierkampf, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1999