Schon seit geraumer Zeit gehört es zum Trend, sich als Berühmtheit in Kochsendungen oder Büchern zu präsentieren. So war es nur eine Frage der Zeit, wann denn die caballeros der Lichteranzüge ihre kulinarischen Gedanken freigeben. So haben die beiden Journalistinnen Pilar und Susana Carrizosa, bekannt durch das spanische Fernsehen (Madrid hoy und informe semanal) schon Ende 2006 ein Buch zu diesem Thema herausgegeben:
Toreros en la cocina
Siebzehn matadores de toros tauschten die muleta gegen Kochschürze und die espada gegen Küchenmesser ein und präsentieren 35 Speisen. Meistens im Rahmen eines eleganten Restaurants oder auf der eigenen Hacienda sprechen sie jene aficionados an, welche sich in den tendidos genauso wohlfühlen wie in kulinarischen Tempeln. Begleitet werden einige von dem katalanischen Zwei-Sterne-Starkoch Sergi Arola.
Javier Vazquez aus Madrid beginnt mit den Worten “Genauso wie in der Plaza de toros fühlt sich einer in der Küche alleine. Das stellt sich zunächst die Frage, wie man denn seine Arbeit am besten beginnt? Nun, genauso wie im Rund einer Stierkampfarena! Denn das erste was man anstrebt ist es, sich vorzubereiten, Und eines haben der torero und der Koch gemeinsam, am Ende wollen sie, dass es dem Publikum gefällt”. Der aus Sevilla stammende Julio Aparicio erkennt als Gemeinsamkeit den Wunsch, die Lust, die Einfachheit sowie eine jede Illusion. Und fügt hinzu: “Ob man nun einem Stier gegenüber steht oder an der Herdplatte, muss vorbereitet, intelligent wie wachsam sein, und vor allem, vor einer jeden guten faena (der eigentlichen Arbeit) viel Gefühl einbringen”. Auf den Nenner bringt es der Sternekoch Sergi Arola „Es ist eine Form etwas Wertvolles zu teilen, ob als Mann oder Frau. Ich kann mir ein Leben ohne Sensibilität nicht vorstellen, und das ist das Besondere in der Kochkunst. Darum gefällt mir auch der Stierkampf, wegen seiner besonders magischen Sensibilität”. Und er fügt hinzu, dass man wie beim Stierkampf die nötige Eingebung benötigt.
Bei so viel Sensibilität kann man sich eigentlich nur voller Spannung auf diese tauro-kulinarische Lektüre freuen. Und ein erster Blick über die Seiten verrät, hier geht es nicht nur um Rezepte, sondern die matadores de toros geben hier auch Privates von sich. Aber natürlich stehen ihre lukullischen Erlebnisse, ihre feinschmeckerische Erziehung und nicht zuletzt auch nicht unbedingt so kulinarische „Köstlichkeiten“ im Zentrum der Lektüre.
So „erfreute“ sich, der mittlerweile 85-jährige Jaime Ostos in Kolumbien an „gerösteten Ameisen“, natürlich ohne es zu wissen: „Allein schon der Gedanke, dass ich den kompletten Ameisenhaufen fast allein verspeist habe, löste bei mir … den Rest erspare ich Euch“. Der aus Cádiz stammende José Antonio Canales Rivera kam bei einer Überlebenssendung im spanischen Fernsehen in den Genuss eines Mischgetränkes aus Echsenaugen, Würmern, Heuschrecken, Affenhirn und weiteren Delikatessen. Und er verkündete nach mehreren Tagen des Hungerns, zwar schmeckte es „fatal, aber ich fühlte mich fabelhaft, und ich glaube kaum einer kann dieses Gefühl nachvollziehen!“
Im Großen und Ganzen handelt sich meistens um einfache, eher ländliche Rezepte, die nicht selten aus Mutters Kochstube stammen. So finden wir ein SALMOREJO von José Antonio Canales Rivera und MIGAS a la Victor Puerto oder MIGAS AL ESTILO CAMPUZANO. Und Tomás Campuzano aus Écija bei Sevilla erklärt uns, was es genau ist: „Wenn diese (gemeint sind die Brotkrumen) schön knusprig sind, gibt man ein Spiegelei darüber. Das ist der entscheiden Campuzano Geschmack“. Der aus Valencia kommende Vicente Barrera bereitet, wie zu vermuten ist natürlich eine PAELLA VALENCIANA DE POLLO Y CONEJO.
Richtig erstaunt wird der Leser über die Kochkünste der Litri-Dynastie. Vater wie Sohn haben nicht nur Stierblut in den Adern, sondern beherrschen auch ihr Handwerk in der Küche. Miguel Báez y Espuny „Litri“ erlernte die Kochkunst sozusagen nebenher. Bei seinen Reisen zu den verschiedenen corridas de toros war er von der Zubereitung der Speisen so begeistert, dass er mit den einzelnen Köchen einen Deal machte: „Ihr zeigt mir wie es geht, und ich besorge euch Eintrittskarten für den Stierkampf”. Nun versteht er sich in der Küche bestens zu bewegen, und er hat es gar nicht gerne, wenn man ihm Verbesserungsvorschläge unterbreitet oder gar es wagt ihn zu kritisieren. Köstlich seine etwas unfeine Ausdrucksweise: „Mujé, má vino, cao en la puta!“ Natürlich trat bezüglich der Kochkunst sein Sohn in dieselben Fußstapfen, der über eine andere Delikatesse zu berichten weiß. Miguel Báez Litri jr. heirate Carolina Adriana Herrera, Tochter der bekannten Modedesignerin Carolina Herrera. Und eben seine Schwiegermutter liebte es in der Küche, genauso wie in der Mode, die Geschmäcker ordentlich zu vermischen. So gab es unter anderem BOHNEN MIT KETSCHUP.
Das klassische Stiergericht ESTOFADO DE RABO DE TORO wird von Jaime Ostos zubereitet. Er liebt es zu kochen, bleibt aber bei der alten, sprich traditionellen Küche: „Die neue Küche ist eigentliche eine Bauernfängerei!“
Aber nicht alle Toreros in diesem Buch, lieben es zu kochen oder sehen sich als werdende Köche. Vicente Barerra stellt trocken fest: „Ich versuch es gar nicht zu verheimlichen! Warum sollte ich lügen? Weder bin ich Koch, noch habe ich Spaß daran in der Küche zu stehen. Aber manchmal muss man es halt tun um zu überleben“. Der Medienstar Francisco Rivera Ordoñez benötigt einen Roman, ganze zwanzig Wörter, um seine Speise zu umschreiben: SOLOMILLO DE CEBÓN CON SALSA DE COLMENILLAS, PATATA CREMA, FONDO DE ALCACHOFA CON ESPINACAS, TOMATE CHERRY Y PUNTA DE TRIGUERO. Dahinter ist höchste Kochkunst zu vermuten, doch schnell wird man aufgeklärt: “Ich habe nicht die leiseste Idee, wie man mit dem Küchenherd umgeht. Das einzige was ich wirklich bereiten kann ist ein Spiegelei. Und ich mag noch nicht mal Eier“.
Das es in einem solchen Buch tauro-kulinarische Begriffe gibt ist eigentlich zu erwarten: Die Zubereitung wird allgemein als FAENA umschrieben und zahlreichen Gerichte erinnern an die Tauromaquia: PAVO REAL CON BANDERILLAS AL ESTILO VÁZQUEZ, RUEDO DE VERDURAS, SUERTE DE SOLOMILLO von José Pacheco Rodriguez „El Califa”, oder eine VERÓNICA DE SETAS CAMPERAS, ESTOQUE DE CHULETAS von Julio Aparicio und ob die TROMPETA DE LA MUERTE bei den SARDINAS ASADAS von Miguel Báez Litri jr. auch dazugehört, sei dem Leser selbst überlassen.
Eine unterhaltsame Lektüre für einen jeden der die Tauromaquia mit der kulinarischen Welt verbinden möchte. Sympathisch auch deswegen, weil die Stierkämpfer ein wenig aus ihrem privaten Leben erzählen. Insofern ist dieses Buch in seiner Art bis zu diesem Zeitpunkt einzigartig, sozusagen konkurrenzlos.
TOREROS EN LA COCINA
(in spanischer Sprache)
Pilar Carrizosa
Susana Carrizosa
Edition: El tercer nombre, S.A.
ISBN: 84-935102-8-9
Preis: 30,- Euros