Samstag, 11. August 2012

Toros ≠ Toros

Stiere ≠ Stiere? Stiere sind nicht gleich Stiere? Auf den ersten Blick erscheint diese Formulierung eher widersprüchlich, doch gerade hieran wird deutlich, wie Nichtkenner der taurinischen Szene im verbalen Nirwana untergehen zu drohen. Der Philosoph Reinhard Haneld hat auf dem Internetportal La Tauromaquia im Sommer 2008 einen längeren Beitrag über die Taurosophie veröffentlicht. Im dritten Kapitel, wo es um die Ambivalenz des Opfertieres geht, schreibt er: "... wird das Opfertier geliebt. Auf eine noch durchaus ähnliche, durch Ambivalenz geprägte Weise  l i e b e n  die Spanier, und besonders die aficionados unter ihnen, die Stiere. Bei Außenstehenden erregt dies immer wieder Unverstand: Ihnen fällt nicht auf, daß sich die Anhänger aficionados de toros und nicht de toreros nennen. Es sind Liebhaber, Kenner, die sich in der Passion für die Stiere vereinen." Wer sich ein wenig im spanischen Stierkampfvokabular auskennt, dem scheint diese Erkenntnis durchaus einleuchtend. Ein aficionado ist ohne Frage ein Liebhaber, ein Fan, jemand der für etwas eine Leidenschaft entwickelt. Ein toro ist ein Stier, ein Kampfstier, und im Wort toros findet sich rein grammatikalisch gesehen die Pluralisierung wieder. Viele Stiere. Folglich ist ein aficionado de toros wohl ein Liebhaber von zahlreichen Stieren. Und es stimmt auch ein wenig. Denn es lässt sich nicht verleugnen, der toro steht nun mal im Mittelpunkt eines jeden festejo taurino

Bei so viel Euphorie denkt man auch an den Ausspruch vamos a los toros. Gehen wir zu den Stieren. Doch da stellt sich die Frage, wohin gehen wir eigentlich? Auf die Weide, zur dehesa, in den Stall? Ja, das könnte es bedeuten. Aber eben nicht nur! Denn wer einen Blick in den spanischen Brockhaus für Stierkämpfe, den Cossío wirft, findet unter dem Begriff toros nicht etwa die Mehrzahl von toro im Angebot sondern ein Beschreibung mit lediglich elf Worten: "Los toros, so nennt man die fiesta oder corrida de toros." Punkt aus! Mit fiesta ist selbstredend die fiesta nacional gemeint, sozusagen der Oberbegriff für die Welt des Stierkampfs. Mit anderen Worten, toros steht als Hyperonym in erster Linie für die mundo de los toros. Und wer genau hinschaut, wird feststellen, dass in genau jenem Begriff sich keine Andeutungen wie Kampf, Gefecht oder Ähnliches reflektieren, welches wir unbestritten fälschlicherweise in ausländischen Übersetzung wie zum Beispiel Stierkampf oder bullfight vorfinden. Und so sind Aussenstehende schon im Vorfeld dazu verurteilt, etwas in die toros hineinzuinterpretieren, was es nicht ist. Es ist kein Wettkampf.

Die Erklärung für toros ist aber nicht nur den aficionados vorbehalten. Denn auch im Diccionario de la lengua española findet sich eine entsprechende Definition. Ähnlich dem Cossío lesen wir eine Erklärung für die pluralisierte Version des Wortes toro:





Und selbstverständlich weiss auch der Cossío alemán die richtigen Worte dafür zu finden.



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Quellennachweise:
Reinhard Haneld, Taurosophie, Teil III, La Tauromaquia, 28.07.2008
COSSÍO, Band I, Seite 360, Espasa Calpe S.A., 2007
Real Academia Española, Diccionario de la lengua española, edición 22
Cossío alemán, Das deutschsprachige Lexikon des Stierkampfs