Sonntag, 21. April 2013

Ein Tag mit den Stieren (2. Teil)

Der Besuch der Stierzucht Cebado Gago geht dem Ende zu
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von Colin Ernst


Und weiter geht es ...
Nun geht es vorbei an einem weiteren corral, dort sind Stiere untergebracht, die auf den Strassenfesten, den capeas, oder dem correbous zu sehen sind. Anders als die selektierten novillos, werden sie sofort nervös und hektisch, als wir uns nähern, ja sie rennen sogar weg! Da liegt also der sichtbare Unterschied. Während sich die novillos gestellt haben, rennen diese weg. Was sie um so gefährlicher machen wird, wenn sie erstmal auf sich gestellt durch die Strassen rennen - dann sind sie nicht zu berechnen. Aber auch sie sind in gutem Futterzustand. Als letztes kommen wir zum corral wo die toros stehen, also jene, welche mit den matadores de toros antreten. Sie sind etwas schwerer, aber auch wachsamer. Sie gehen nicht nur in Stellung, nein, sie gehen zur Angriffshaltung über. Auch hier sehe ich den Unterschied. Für mich ein tolles Erlebnis, diese vier Kategorien von Stieren zu beobachten und zu begreifen. Nun erwartet uns noch das Training der Stiere. 

Ein Reiter mit einer garrocha (Lanze), öffnet das Tor zum corral. Zwei weitere Reiter haben sich, in sicherer Entfernung postiert. Nun kommen sie herausgetrabt, das Spiel scheinen sie zu kennen. Zu Dritt treiben die Reiter, darunter eine junge Frau, die Herde aus dem hofähnlichen Grundstück, auf einen Feldweg. Ein Stier ist zurückgeblieben, er hat anscheinend keine Lust, aufs Training. Der Lanzenreiter versucht noch, ihn an der Rückkehr in den offenen corral zu hindern, aber am Ende gewinnt der sture Stier, denn nun wäre es für den Reiter zu gefährlich, sich ihm zu nähern - ich denke, das der toro das auch weiss. Also prescht er nun auf seinem Hispano árabe (Pferderasse) an der Herde vorbei, in rasendem Galopp setzt er sich davor und lenkt sie so zu dem Zielort, einer saftigen Wiese. Dass die Stiere das Ganze kennen, ist ersichtlich, denn schnell versenken sie ihren massigen Kopf ins hohe Grün. Nun gönnt man ihnen eine kleine Verschnaufpause, dann geht es wieder auf dem gleichen Weg zurück.


Das Schauspiel bringt mich auf Pamplona, wo jedes Jahr zu San Fermín, die toros durch die Strassen getrieben werden. Auch die Cebada Gagos laufen dort mit. José klärt mich auf: Die Stiere beruhigt es, wenn sie sich auslaufen können, der Lauf schadet ihnen daher nicht. Aber wie kommt es, das die toros so zielstrebig auf die plaza zuhalten? Nun, die Kampfstiere verbleiben bis zu Tag X in einem corral bei der plaza, erzählt uns Jose. Dann werden sie, bei Nacht und Nebel in den corral getrieben, zusammen mit den zahmen Ochsen, wo sie am nächsten Morgen losgelassen werden. Da sie den Weg kennen, die Ochsen sie geleiten und sie nichts sehnlicher wollen, als in ihren "heimatlichen" corral zurück zu kehren, ist nichts einfacher als das. Einleuchtend. 


Immerhin haben die andalusischen Stiere schon gut acht bis zehn Tage in diesem verbracht, fühlen sich dort sicher. Was in den Unglücksfällen eine große Rolle spielt, ist, wenn ein Stier von der Herde getrennt wird. Dann hat er, aufgrund seiner Rasse, keine andere Wahl, als alles anzugreifen, was sich ihm, auf dem Weg "nachhause" entgegenstellt. Ein durchschnittliches encierro in Pamplona dauert knapp drei Minuten. Danach sind die toros relativ zufrieden, wieder in gewohnter Umgebung zu sein und entgegen meiner Vermutung, das sie durch die Rennerei und den Kontakt mit Menschen in der Arena anders reagieren, soll es keine negativen Auswirkungen haben. Sollte ein Stier verletzt sein, wird der veterinario ihn ohnehin aussortieren. Ich schaue sie mir genau an, jene, welche in Pamplona antreten werden, denn jedes Jahr schau ich mir jeden morgen am Fernseher die Liveübertragung des encierros an. Und das schon seit zehn Jahren, mit dem Traum, es einmal selbst mit zu erleben. Nun kenne ich die Helden für dieses Jahr "persönlich" und wünsche auch ihnen im Stillen "suerte", ein indulto wäre doch schön. 

Auf unserer Rundfahrt haben wir viel gesehen und gelernt, keine Trophäensammlung, keine Weinprobe hätte uns besser gefallen, als dieser Einblick in eine ganadería. Auf dem Rückweg zur Hauptstrasse, kommen wir an den mansos, den zahmn Ochsen vorbei, die friedlich am Wegesrand grasen. Ob ich mal einen streicheln möchte, werde ich gefragt. Fast bin ich schon aus dem Pick-Up gesprungen, als ich das Gesicht meiner Mutter sehe - kalkweiss. Nein, ich versuch es nicht, obwohl...

Nach dem Besuch bei Cebada Gago begleitet uns José noch in ein Restaurant-Hotel in Medina Sidona, wo die toreros übernachten oder essen. Hier sind ein paar Fotos zu bewundern, aber das Highlight ist die Küche. Wirklich toll, Ravioli al toro, Rabo de toro, paté de perdiz... Auch das Städtchen ist ansprechend, wir erklimmen noch die Burg, bzw, deren Reste, von dort oben hat man einen Ausblick... Beim Fotographieren knie ich in einer saftigen Wiese, der Geruch von Frühling, Erde und Stieren sticht mir in der Nase, am liebsten wäre ich dort geblieben.

Epilog

Dies war nun, der letzte Tag unserer Reise in Andalusien zu den toreros und den Stieren. Das Wetter hat uns üble Streiche mitgespielt, aber letztendlich haben wir alles gesehen, was eingeplant war und noch mehr erfahren, über die Welt der taurinos. Es hat auch in mir etwas verändert, das Verstehen eines Rituals, das Verstehen im allgemeinen, was Zucht und corrida anbetrifft . Was "alma y corazon" ("Herz und Seele") wirklich bedeuten und was junge Leute dazu bringt, sich einem toro zu stellen. Es sind ganz besondere Menschen. Aber auch die afición, die uns, mit diesem Verständnis zu dem macht, was wir sind und wofür wir einstehen. Ein aficionado ist nicht nur ein "Fan", nein er lebt und fühlt, was die tauromaquia ausmacht. Keiner von ihnen wird einen geschwächten Stier präsentieren wollen, sehen wollen, keiner will so einen toro entgegentreten und die größte Freude ist ein indulto  Die toreros sind eine ganz bestimmte Art von Menschen, die wir, mit all unserem modernen, schnellen Leben, kaum begreifen können. Züchter zu sein, ist eine Lebensart, und ein Erhalt einer uralten Rasse, die mit den heutigen Fleisch.- und Milchlieferanten nichts zu tun hat. aficionados  sind Menschen, die bodenständig sind, die nicht jeder Mode folgen, die wissen, das es nur eine Wahrheit in der plaza de toros gibt. Sie sind fair, schimpfen auf den Züchter, den unfähigen torero, aber nie auf den Stier.

Zum Abschlussmöchte ich mich bedanken, bei den Lesern von SfA und bei meinen Mitstreitern, die es mir möglich machten, all dies zu erfahren und zu erleben. Und ein ganz besonderes Dankeschön an meine Mutter, die mich vor über 30 Jahren loschickte, ein Buch - die Biographie von El Cordobés, zu kaufen. Ohne Sie wäre ich heute keine aficionada  sondern unwissende Gegnerin des Stierkampfes. Ihr Spruch: "Sieh es dir erstmal an, bevor Du urteilst", leitet mich bis heute und es war ein Vergnügen, sie auf dem Weg zu den toros und toreros zu begleiten.

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Anmerkung von SfA: Hier das Buch welches Colin Ernst zur afición verführte:

. . .   O D E R    D U    W I R S T    T R A U E R    T R A G E N

Das fantastische Leben des El Cordobés
Larry Collins, Dominique Lapierre
- 1967 -

El Cordobés
(Foto: mundotoro)
Der junge Manuel Benítez übernimmt nach den Wirren des spanischen Bürgerkrieges die Verantwortung für seine Schwester Angelita. In ärmlichsten Verhältnissen versuchen sie zu überleben, und als der junge Mann die Entscheidung getroffen hatte ein berühmter matador zu werden, war das Elend noch längst nicht überstanden. Doch unaufhaltsam strebte Manuel Benítez seinem Ziel entgegen, bis er am 20. Mai 1964 in der spanischen Hauptstadt in der größten plaza de toros von Europa, Las Ventas, von der afición seine alternativa, die Ernennung zum matador de toros bestätigt wissen will. Er versetzt damit Spanien in einen Rausch. Doch bevor Manuel Benítez "El Cordobés" zur plaza de toros aufbricht wendet er sich seiner Schwester zu, "Weine nicht Angelita, heute Abend kauf`ich dir ein Haus - oder du wirst Trauer tragen". Der Beginn eines dramatischen tarde de toros, den Spanien und die Welt bis heute nicht vergessen haben.

Wann die toros von Cebada Gago in Pamplona an den Start gehen
wird Sie das Team von SfA zeitig wissen lassen.