Dienstag, 6. Oktober 2015

Stierkampf in Jugoslawien

Selbst in Belgrad wollte man die mundo de los toros zeigen ... live
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von Philip de Málaga



Am 2. und 3. Oktober 1971 veranstaltete man in der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad jeweils eine corrida mixta. Dabei war es nicht unbedingt das Ziel, die tauromaquia in jenem Balkanstaat einzuführen, sondern hatte eher den Effekt einer Ausstellung, einer Vorführung, einem Näherbringens jener spanischer Kultur, wo die toros als Teil der iberischen Tradition gelten. Während der corrida wurde dem Publikum über Lautsprecher die einzelnen tercios mit ihren suertes und sonstige Geschehen erklärt. 


Dazu wurde das Fussballstadium von Belgrad in eine plaza de toros umverwandelt. Und an den beiden tardes de toros erschienen immerhin an die 5.000 Zuschauer, welche für die entradas einen doppelt so hohen Preis zahlten, wie für ein Fussballspiel der ersten Liga.

Das cartel war an beiden Tagen dasselbe, lediglich die ganaderías wechselten. Es traten an die matadores de toros Luis Miguel Dominguín und der Franzose Roberto Piles (dem übrigens einen halben Monat vorher, am 12. September 1971, Luis Miguel Dominguín als padrino bei seiner alternativa in Barcelona zur Seite stand) sowie der portugiesische rejoneador Alfredo Conde. Die toros für die erste corrida kamen von der ganadería Carlos Núñez, für das zweite festejo von der ganadería Guardiola.

Luis Miguel Dominguín, Roberto Piles und Alfredo Conde
Die erste corrida begann in einem höchst merkwürdigen Ambiente. Als der Rechtsanwalt Don Manuel Amorós González aus Madrid das festejo eröffnete, begann in den Rängen ein gewisses Murren, weil dass Publikum sich nicht so recht im Klaren war, was es jetzt zu sehen bekam. Sie wussten nur, das jetzt etwas getötet wird. Trotzdem erklang beim paseillo auch einiger Applaus. Und überhaupt, während der corrida zeigten die Zuschauer immer mehr Interesse, man verfolgte aufmerksam das Geschehen und es entwickelte sich dementsprechend eine gewisse Emotion für die toros und toreros beim Publikum.

Der erst toro gehörte Dominguín und meinte es nicht gut mit dem matador. Mit einer voltereta beförderte dieser den torero zu Boden, wo jener ein kurze Zeit lang bewusstlos liegen blieb. Sekunden des Schreckens ging durch die Reihen der Zuschauer, doch dann erhob sich der maestro wieder, und man war erleichtert, Dominguín unverletzt wieder agieren zu sehen. Und je mehr die Jugoslawen diesem Schauspiel beiwohnten, umso mehr konnten sie sich dafür begeistern. So gelang es Luis Miguel Dominguín bei seinem zweiten toro eine gewisse Begeisterung in die tendidos der Fussballarena zu übertragen, auch wenn die meisten nicht wirklich verstanden, was sie zu sahen bekamen, aber mit der Stimmung in den Rängen wurde er mit dos orejas y rabo belohnt.

Am zweiten tarde de toros hatte der matador aus Madrid weniger Glück. Auch hier erwischte Dominguín der erste toro schon gleich zu Beginn beim Beenden einer Serie von verónicas und verwundete seine Hand dermassen, dass er die lidia nicht fortführen konnte und ins Hospital gebracht wurde, wo man seine cornada mit sechs Nähten behandeln musste.

Obwohl sich das Publikum ohne Frage mit den toros anfreunden konnte, gab es nie wieder eine corrida de toros in Jugoslawien. Nun hat sich dort ja auch die politische Landschaft ein wenig verändert.