Mittwoch, 7. Oktober 2015

Stierkämpfe im Libanon

In Beirut gab es den Stierkampf mit den meisten Zuschauern der Geschichte
Eine katholische Tradition im moslemischen Reich
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von Philip de Málaga


Stierkämpfe im Libanon? Klingt ungewöhnlich, fremd, geradezu abstrakt. Aber trotzdem konnten sich die Libanesen in den 50ger bis 70ger Jahren mit den toros anfreunden. Und zwar mit den toros nach dem spanischen Vorbild. Katholische toros im moslemischen Teil der Erde.

So gab es am 2. Juli 1954 die erste novillada in Beirut, mit den novilleros Ramón Aran, El Exquisito und Salvador Ruiz. Es folgten weitere festejos taurinos, sogar corridas de toros, über die es leider recht wenig Informationen zu bekommen gibt.


Den Höhepunkt der mundo de los toros im Libanon gab es im Oktober 1961. Zwei corridas de toros in Beirut. Die erste mit den maestros Julio Aparicio, Juan Bienvenida und Mondeño


Toreros in Beirut: Julio Aparicio, Juan Bienvenida und Mondeño
Das beeindruckende an den festejos taurinos war die Kulisse in den tendidos. An die 60.000 Zuschauer füllten den aforo. Das übertrifft sogar die grösste plaza de toros der Welt, die Monumental de México, mit ihren über 40.000 Sitzplätzen.

Damit die zwei Veranstaltungen ein Erfolg wurden, inszenierte man eine regelrechte Propaganda-Kampagne in arabischer, englischer und französischer Sprache. Interviews standen an der Tagesordnung, und eine Pressekonferenz wurde abgehalten. Dabei wurde der matador de toros Aparicio von einem Journalisten gefragt, ob die toros wirklich getötet werden. Darauf erhob sich der torero, zog sein Hemd aus und zeigte den Presseleuten seine grosse Narbe, welche er beim letzten San Isidro in Madrid bekommen hatte. Selbstverständlich ginge es um den Tod.


Die corrida de toros begann mit viel Pomp. Allein schon die Anzahl der orientalischen Persönlichkeiten, welche mit ihren Rolls Royce vorfuhren waren beeindruckend. Auch der spanische Botschafter Don Emilio García Gómez sass mit seiner Gattin im Publikum. Eine banda taurina gab es nicht. Sondern ein zusammengewürfelter Haufen von Musikern aus den damals 47 Kabaretts der Stadt sorgte für die paso dobles.

Beim Anblick der areneros kam man nicht gleich auf die Idee dass es hier um toros gehe.
Für die toreros war es nicht ganz ungefährlich, denn es gab keine enfermería. Lediglich eine Ambulanz stand vor der plaza, um im Notfall den oder die Verwundeten zum nächsten Hospital zu bringen. In den corrales warteten zwölf toros, denn am nächsten Sonntag gab es noch eine corrida.


Pünktlich um 15:30 Uhr begann das festejo. Die Sonne knallte auf den Platz aber die toreros waren zu allem entschlossen und wollten der arabischen Welt viel an purer tauromaquia vermitteln. Und es gelang ihnen bestens das Publikum in den Bann zu ziehen. Wunderbare suertes mit der capa, faenas die bezauberten und estocadas die sassen. Mit ihrer arabischen Mentalität bewunderten die Zuschauer besonders die Arbeit der berittenen picadores, mehr noch als die der banderilleros. Man muss gar nicht weiter ins Detail gehen, bei jedem toro gab es mindestens eine trofeo.

Der matador de toros Julio Aparicio mit den Prinzen von Saudi Arabien
Alles ging aber auffallend rasch über die Bühne in nur einer Stunde und fünfundvierzig Minuten war die corrida beendet. Es gab übrigens auch keine mulillas. Die toten toros wurden mit Lastwagen abtransportiert.

Ein espectáculo taurino, welches ins Guinnessbuch der Rekorde gehört. 60.000 Zuschauer, alle waren begeistert und keiner hatte vorzeitig seinen Platz verlassen. Und eins dürfte fest stehen. In keinem Land ausserhalb der wahren mundo de los toros hat es jemals so viel Emotionen gegeben wie in Beirut an diesem tarde de toros. Keine Frage, die drei matadores de toros agierten wie spanische Botschafter im Orient, von denen alle 91 Zeitungen in Beirut lobend berichtet hatten und die Narbe des spanischen matador de toros Julio Aparicio als Symbol der Unsterblichkeit deklarierten. Aber sie sahen die toros auch nicht als so gefährlich an. Die Tageszeitung Oriente beschrieb es folgendermassen: "Die toros seien nicht so wilde Fleischesser wie wir dachten".