Dienstag, 10. November 2015

Horst Stern über die Stiere





von Horst Stern

Eigentlich ist Horst Stern gelernter gelernter Bankkaufmann. Nach dem zweiten Weltkrieg, als Fallschirmspringer, wendete er sich dem Journalismus zu. Vor allem alles was mit Tieren in Verbindung stand hatte es ihm angetan. So begann er mit Manuskripten und Sendungen von Tiersendungen für den Schulfunk. Bundesweit bekannt wurde er durch die Sendung Sterns Stunde, wo er in 27 Folgen über den unsentimentalen Umgang mit Tieren berichtete. Dabei ging es ihm aber nicht, die Tiere zu vermenschlichen, sondern er wollte die Mensch-Tier-Beziehung nicht auf einer sentimentalen sondern von der rationalen Seite angehen. Dabei sollten aber die Gefühle nicht zu kurz kommen. Auch traute er sich an das Thema der Nutztierhaltung ran, wofür er 1974 die Ehrendoktorwürde der Universität Stilart erhielt. Seine damals spektakuläre Rede "Mut zur Emotion" gilt noch heute als ein journalistisches wissenschaftlich orientiertes Meisterwerk.

Schon 1972 war er der Mitbegründer der Gruppe Ökologie, welche sich als eine Art Protestbewegung für das mangelnde ökologisches Bewusstsein und Verständnis der Industriegesellschaft. Von 1972 bis 1979 war er als Naturschutzbeauftragte des Landkreises Lindau am Bodensee tätig.

Und Horst Stern begegnete der mundo de los toros und seine Reaktion irritierte die Welt des antitaurinos nicht nur, sondern versetzte sie geradezu in einen Schockzustand. Hier seine Stellungnahme zu den toros. Eine Botschaft welche der antitaurinismo mit einer gerade zu perfekten Art und Weise in die Vergessenheit verdammt hat:
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Die spanischen toros von Domecq und der deutsche Ökologe Horst Stern
Es kam mit der Post ein Papier ins Haus, das mich fragte: „Kann man, als zivilisierter Mensch, zum spanischen Stierkampf eine andere als negative Einstellung haben?

Die Frage war rein rethorisch, denn der übrige Inhalt des Papiers machte die Meinung der Absender, einer Tierschutzorganisation, überdeutlich: dass der als ein „grausames Touristenspektakel“ gebrandmarkt und verboten gehöre. Ich war aufgefordert, mich dieser Meinung per Unterschrift anzuschliessen.

Ich unterschrieb nicht. Nicht, weil ich ein aficionado de toros, ein beinahe kritikloser Freund des Stierkampfes wäre. Ich wüsste manches gegen ihn vorzubringen. Mir gingen nur Gedanken durch den Kopf, für deren Niederschrift die Papierabsender, sich im Besitz der absoluten Wahrheit wähnend, keinen Raum vorgesehen hatten ...

Sie kamen mir erstmals in den Kopf, als ich in Andalusien einmal Gelegenheit hatte, in Begleitung von berittenen Hirten, den vaqueros, auf den Weiden der stierzüchtenden Sherry - und Brandy - Dynastie Domecq zu den Stieren zu reiten.


Ein unter der Grossen bei den ganaderos: Álvaro Domecq
"Man muss wissen was man haben will“, sagte der alte Álvaro Domecq zu mir, als wir nach diesem Ritt beim Essen sassen (ich hatte ihm bei meiner Ankunft schon von dem Problem erzählt, das wir Mitteleuropäer mit dem spanischen Stierkampf, der corrida de toros, oft haben).

Wer die Urkraft und die wilde Schönheit dieser Stiere erhalten wissen will“, sagte er, „der muss auch ihren Tod im ruedo, der plaza de toros, akzeptieren. Gäbe es die 
corrida de toros nicht, gäbe es auch diese stolze Rinderrasse nicht. Sie verschwände von der Erde wie so viele urtümliche Tierarten vor ihr schon. Bestenfalls züchtete man aus ihr eine neue Fleischrasse heraus - für den Messertod im stinkenden Schlachthaus".

Danach führte mich Álvaro Domecq in eine kleine Privatarena, wo eine tienta vorbereitet war, eine Prüfung junger weiblicher Rinder, den vacas, auf Zuchttauglichkeit.



Die private plaza de toros von Domecq
Von ihren Reaktionen auf die Reizmanöver der ihnen zu Fuss und zu Pferd nahe kommenden vaqueros  ob sie diese mutig angriffen oder ihnen furchtsam auswichen, las der alte Domecq ihr Schicksal ab: Tod durch den Metzger oder Paarung mit einem Zuchtstier zur Erhaltung der Art.

Ich sass als Ehrengast an der Seite des Herrn über Leben und Tod, und mir war in der Sonne kalt.

Don Álvaro schien es zu bemerken, denn er sagte: „Auch das Leben dieser jungen, zur Zucht ausgewählten Kühe, mit einem Kalb bei Fuss zum Herumtollen auf der Weide, zum Säugen und Ruhen Leib an Leib, gäbe es nicht ohne den Tod in der 
plaza de toros ihrer männlichen Kinder.“

Nach diesem Besuch auf der finca des Kampfstierzüchters, des ganadero bravo, Don Álvaro Domecq, ging ich zu weiteren Dreharbeiten für einen Rinderfilm in ein Schlachthaus. Es war ein deutsches, und es gibt, im Süden Europas, schlimmere. Junge Mastbullen liessen hier unter Bolzenschuss und Schlachtermesser ihr Leben - ein Leben auf einem glitschigen Spaltenboden über der stinkenden Kotgrube im halbdunklen Stall. Nicht einmal als - mutterlos aufgewachsene - Kälber setzen sie je einen Huf auf grünes Weideland.

Man muss wissen was man will: den öffentlichen, ritualisierten Tod des agilen Kampfstiers, des toro bravo, im Sand der plaza de toros  oder eine weitere dumpfe Fleischrasse mit einem widerlichen, grausamen Tod aller ihrer Individuen.


So möchte man einem toro bravo von Domecq lieber nicht begegnen
Im Übrigen: wer sind wir, die wir Kälber um einer „Herodesprämie“ willen als wenige Tage alte Tierkinder schlachten lassen; wir, die wir um schnöder Subventionen aus Brüssel willen unsere Rinder entsetzlichen Transportqualen aussetzen; wir, die wir Hühner zu Tausenden käfigen - wer sind wir, dass wir eine Nation, in der der Stierkampf tiefe kulturelle, ja mythologische Wurzeln hat, Mores zu lehren versuchen im Umgang mit Tieren?

Es erfüllt der spanische Kampfstier, im Gegensatz zu unseren „Nutztieren“, auch die erste Grundforderung des Tierschutzes: der toro bravo hat, bevor er stirbt, wenigstens artgerecht gelebt.
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"Ein letzter Gedanke noch: 

man las nie, 
dass ein Metzger bei der Schlachtung eines Mastbullen 
durch dessen Gegenwehr zu Tode kam."

Horst Stern
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Quellennachweis:

"... und was meinst Du", Horst Stern, Kommentare, La Tauromaquia
aus Costa Blanca Nachrichten vom 6. November 1998