von Horst Stern
Eigentlich ist Horst Stern gelernter gelernter Bankkaufmann. Nach dem zweiten Weltkrieg, als Fallschirmspringer, wendete er sich dem Journalismus zu. Vor allem alles was mit Tieren in Verbindung stand hatte es ihm angetan. So begann er mit Manuskripten und Sendungen von Tiersendungen für den Schulfunk. Bundesweit bekannt wurde er durch die Sendung Sterns Stunde, wo er in 27 Folgen über den unsentimentalen Umgang mit Tieren berichtete. Dabei ging es ihm aber nicht, die Tiere zu vermenschlichen, sondern er wollte die Mensch-Tier-Beziehung nicht auf einer sentimentalen sondern von der rationalen Seite angehen. Dabei sollten aber die Gefühle nicht zu kurz kommen. Auch traute er sich an das Thema der Nutztierhaltung ran, wofür er 1974 die Ehrendoktorwürde der Universität Stilart erhielt. Seine damals spektakuläre Rede "Mut zur Emotion" gilt noch heute als ein journalistisches wissenschaftlich orientiertes Meisterwerk.
Schon 1972 war er der Mitbegründer der Gruppe Ökologie, welche sich als eine Art Protestbewegung für das mangelnde ökologisches Bewusstsein und Verständnis der Industriegesellschaft. Von 1972 bis 1979 war er als Naturschutzbeauftragte des Landkreises Lindau am Bodensee tätig.
Und Horst Stern begegnete der mundo de los toros und seine Reaktion irritierte die Welt des antitaurinos nicht nur, sondern versetzte sie geradezu in einen Schockzustand. Hier seine Stellungnahme zu den toros. Eine Botschaft welche der antitaurinismo mit einer gerade zu perfekten Art und Weise in die Vergessenheit verdammt hat:
_________________________________________________________________
Die spanischen toros von Domecq und der deutsche Ökologe Horst Stern |
Die Frage war rein rethorisch, denn der übrige Inhalt des Papiers machte die Meinung der Absender, einer Tierschutzorganisation, überdeutlich: dass der als ein „grausames Touristenspektakel“ gebrandmarkt und verboten gehöre. Ich war aufgefordert, mich dieser Meinung per Unterschrift anzuschliessen.
Ich unterschrieb nicht. Nicht, weil ich ein aficionado de toros, ein beinahe kritikloser Freund des Stierkampfes wäre. Ich wüsste manches gegen ihn vorzubringen. Mir gingen nur Gedanken durch den Kopf, für deren Niederschrift die Papierabsender, sich im Besitz der absoluten Wahrheit wähnend, keinen Raum vorgesehen hatten ...
Sie kamen mir erstmals in den Kopf, als ich in Andalusien einmal Gelegenheit hatte, in Begleitung von berittenen Hirten, den vaqueros, auf den Weiden der stierzüchtenden Sherry - und Brandy - Dynastie Domecq zu den Stieren zu reiten.
Ein unter der Grossen bei den ganaderos: Álvaro Domecq |
„Wer die Urkraft und die wilde Schönheit dieser Stiere erhalten wissen will“, sagte er, „der muss auch ihren Tod im ruedo, der plaza de toros, akzeptieren. Gäbe es die corrida de toros nicht, gäbe es auch diese stolze Rinderrasse nicht. Sie verschwände von der Erde wie so viele urtümliche Tierarten vor ihr schon. Bestenfalls züchtete man aus ihr eine neue Fleischrasse heraus - für den Messertod im stinkenden Schlachthaus".
Danach führte mich Álvaro Domecq in eine kleine Privatarena, wo eine tienta vorbereitet war, eine Prüfung junger weiblicher Rinder, den vacas, auf Zuchttauglichkeit.
Die private plaza de toros von Domecq |
Ich sass als Ehrengast an der Seite des Herrn über Leben und Tod, und mir war in der Sonne kalt.
Don Álvaro schien es zu bemerken, denn er sagte: „Auch das Leben dieser jungen, zur Zucht ausgewählten Kühe, mit einem Kalb bei Fuss zum Herumtollen auf der Weide, zum Säugen und Ruhen Leib an Leib, gäbe es nicht ohne den Tod in der plaza de toros ihrer männlichen Kinder.“
Nach diesem Besuch auf der finca des Kampfstierzüchters, des ganadero bravo, Don Álvaro Domecq, ging ich zu weiteren Dreharbeiten für einen Rinderfilm in ein Schlachthaus. Es war ein deutsches, und es gibt, im Süden Europas, schlimmere. Junge Mastbullen liessen hier unter Bolzenschuss und Schlachtermesser ihr Leben - ein Leben auf einem glitschigen Spaltenboden über der stinkenden Kotgrube im halbdunklen Stall. Nicht einmal als - mutterlos aufgewachsene - Kälber setzen sie je einen Huf auf grünes Weideland.
Man muss wissen was man will: den öffentlichen, ritualisierten Tod des
agilen Kampfstiers, des toro bravo, im Sand der plaza de toros oder eine
weitere dumpfe Fleischrasse mit einem widerlichen, grausamen Tod aller ihrer
Individuen.
Im Übrigen: wer sind wir, die wir Kälber um einer „Herodesprämie“ willen als
wenige Tage alte Tierkinder schlachten lassen; wir, die wir um schnöder
Subventionen aus Brüssel willen unsere Rinder entsetzlichen Transportqualen
aussetzen; wir, die wir Hühner zu Tausenden käfigen - wer sind wir, dass wir
eine Nation, in der der Stierkampf tiefe kulturelle, ja mythologische Wurzeln
hat, Mores zu lehren versuchen im Umgang mit Tieren?
So möchte man einem toro bravo von Domecq lieber nicht begegnen |
Es erfüllt der spanische Kampfstier, im Gegensatz zu unseren „Nutztieren“,
auch die erste Grundforderung des Tierschutzes: der toro bravo hat, bevor er
stirbt, wenigstens artgerecht gelebt.
_______________________________________________
"Ein letzter Gedanke noch:
man las nie,
dass ein Metzger bei der Schlachtung
eines Mastbullen
durch dessen Gegenwehr zu Tode kam."
Horst Stern
_______________________________________________
Quellennachweis:
"... und was meinst Du", Horst Stern, Kommentare, La Tauromaquia,
aus Costa Blanca Nachrichten vom 6. November 1998