Samstag, 23. Januar 2016

Der Stierkampf in der Gegenwart





von Michel Leiris


Schon 1982 erkannte der französische Schriftsteller und Ethnologe Michel Leiris (1901 bis 1990) in seinem Gedankenspiel zur tauromaquia den Bezug der corrida zur Gegenwart als ein enthüllendes Spiel. Genau betrachtet, etwas, was noch heute über fünfunddreissig Jahre später seine Gültigkeit findet.


"Bei der gegenwärtigen Lage der Dinge (welche sich vor allem durch den seltenen Mangel an Sinnen für das Festliche auszeichnet) gewinnt die Institution wie zum Beispiel ein corrida - die in gewisser Hinsicht dem anlogen Schema einer antiken Tragödie folgt - einen ganz besonderen Wert, denn sie scheint offenbar das einzige zu sein, das in unserer abendländlichen Kultur und modernen Welt noch imstande ist, den Erwartungen zu entsprechen, welche ein jedes Schauspiel erfüllen sollte, sei es im Rahmen des alltäglichen Lebens oder eher im trügerischen Schein einer Bühne, sei es auf handfesten Boden eines Übungsgeländes."

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Quellennachweis:

MIROR de la tauromachie, Michel Leiris, éditions fata morgana, Montpelier, 1980