Freitag, 22. Januar 2016

Ist der Stierkampf eine nationale Fiesta?

Der Inbegriff des Spanischen: Die Fiesta Nacional
Was verbirgt sich dahinter? Ist diese noch zeitgemäss?
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von Philip de Málaga


Um nicht in bestimmte Dogmen oder politischen Konfessionalisierungen zu flüchten, doch bis jetzt wurde es in politisch bis kulturell-historisch Sichtweise stets so interpretiert, dass sich in der fiesta nacional der Inbegriff des Spanischen verbirgt. Etwas was unweigerlich zu Spanien gehört. Mit dem sich die iberische Mentalität in ihren kulturell veranlagten Wurzeln identifiziert. 

Da gehören gewiss nicht nur die toros dazu. Die spanische Gitarre zum Beispiel, der Flamenco, die Paella, viele Dinge die sich damit verbinden lassen. Aber nichts scheint so tief verwurzelt wie die mundo de los toros. und bei 23.000 Jahren Tauromachie scheint dieser Grundgedanke nicht einmal ungerechtfertigt.

Umso erstaunlicher, dass nun die Madrider Bürgermeisterin Doña Manuela Carmena Castrillo mit einer neuen Offensive gegen die tauromaquia mobil macht, und die Präsenz der toros auf der öffentlichen Webseite der Rathauses von Madrid für den Tourismus streichen lässt. 

ABC - Madrid, vom 19.01.2016
Las Ventas von Madrid gehört mit knapp 24.000 Zuschauern nicht nur zur grössten plaza de toros von Europa, sondern hier finden auch die meisten festejos taurinos statt. Allein im Jahr 2015 waren es 62 corridas, welche von gut  einer Million Zuschauer besucht worden sind. Auch im museo taurino ist das Interesse in den letzten beiden Jahren ungemein gestiegen. Etwas,  die mundo taurinowelche schon seit Jahrtausenden zur Tradition gehört, wird nun per Tastendruck aus dem Kulturteil entfernt.

Das soll es nicht mehr auf der offiziellen Seiten für den Tourismus geben.
Obwohl Las Ventas sich regelmässig füllt, es soll dafür nicht mehr geworben werden.
Die Frage scheint gar nicht mal so weit her geholt. Ist es überhaupt gerechtfertigt, dass die spanische Hauptstadt etwas aus ihrem Kulturteil verbannt, was in Spanien selbst zum Kulturerbe deklariert worden ist? Darf eine Hauptstadt so etwas tun? Zum einen, zu bestimmen, was zur Kultur zählt oder was nicht und zum anderen, die Entscheidung für oder gegen die tauromaquia schon im Vorfeld negativ zu beeinflussen? Sollten das die Besucher von Madrid nicht selbst entscheiden können?

Gewiss, die Titulierung "national" stellt nicht unbedingt einen Anspruch an die Massen. Da würde mit Sicherheit der König Fußball vorne anstehen. Nein, vielmehr verkörpert sie einen nationalen Charakter, gewisse Werte, oder einen bestimmten Individualismus, welchen wir dann jedoch in anderen Bereichen wie dem Fussball wiederfinden, wenn die Spieler als toreros angefeuert werden, oder man im allgemeinen Leben durch Gesten der suertes den Stolz, die Ehre oder ähnliche Gefühle zu Ausdruck bringen will.

Der aficionado de toros und Fussballprofi Sergio Ramos mit einer capa schwingend 
und lauten olés in den Rängen eines Fussballstadiums
Da kann jeder sich drehen, wenden oder argumentieren wie er will, es ist und bleibt eine Tatsache, der Stierkampf, die fiesta de los toros mit ihren verschiedenen Formen der festejos taurinos wurde und wird in erster Linie mit Spanien in Verbindung gesetzt. Nicht nur weil sie hier tief verwurzelt ist, sondern wohl auch deswegen, weil die Hauptakteure, die toros wie toreros hauptsächlich aus Spanien, kommen. Die fiesta ist somit sehr wohl eine spanische Angelegenheit, ein vorwiegend national orientiertes Fest. Oftmals mit lokalen Wurzeln und Eigenarten. Eben eine Fiesta Nacional. Die toros gehören zu Spanien, wie der Sherry, der Flamenco, die Paella, das kam man eben nicht so einfach aus der Kultur radieren, und schon gar nicht per Tastendruck?

Schwieriger wird die nationale Betrachtungsweise,wirft man einen Blick auf lokale Gegebenheiten. Für viele ist es ja nicht so, dass die mundo de los toros ausschlich in Andalusien oder Kastilien beheimatet sei.  Auch in anderen geografischen Lagen wie dem Baskenland, Navarra und immer noch in Katalonien (!) finden sich taurinische Wurzeln wieder. Nicht selten unterscheiden diese sich von der klassischen corrida, und sind als festejos populares auch des öfteren an Brutalität und Willkürlichkeit nicht zu überbieten. 

Wie auch immer, eine fiesta ist es auf jeden Fall. Und eins steht fest. Erst wer sich die Mühe macht, bei diesem ohne Frage sehr diskutiertem Thema auch mal in die Tiefe zu gehen, wird erkennen und selbst urteilen können, wie viel fiesta nacional wirklich in der mundo taurino steckt. 

Der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway sah das 1932 mit der fiesta nacional ein wenig anders. Eher negativ befleckt: "Von Schriftstellern spöttisch verwendet, welche gegen den Stierkampf sind - als andeutendes Symbol von Spaniens Rückständigkeit unter den europäischen Völkern." (1) Eine höchst eigenartige Interpretation, welche sich auf den Seiten der antitaurinos auch noch nicht widerspiegeln konnte. Wer käme schon auf die Idee Hemingways Argumente gegen die toros aufzubringen? Der COSSÍO, das klassische Nachschlagewerk (2) zu den toros hält sich zurück. Spricht erst gar nicht davon. Für ihn scheint es eine klare Angelegenheit zu sein.
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Quellennachweise:

(1) Death in the Afternoon, Ernest Hemingway, Charles Scribner`s Sons, New York, 1932
(2) COSSÍO - LOS TOROS, Espasa Calpe S. A., 2007