Sonntag, 18. September 2016

Un Agosto muy taurino (2)

2. Teil: Bilbao
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von Adrian Neville aus Nürnberg


Am nächsten Morgen dann ein kurzer Inlandsflug ins Baskenland. Zwei verschiedene Welten. Das heisse, ausgedörrte Andalusien, die fröhliche Feria mit Rumbas und Sevillanas, mit Flamencokleidern und Sombreros und dann im Landeanflug schon das satte, an´s Allgäu erinnernde Grün, die Berge und Wälder. Bilbao, die alte Industriestadt, die zu einer Kunst- und Designmetropole „umgekrempelt“ wurde. Vom Flughafen gleich zur PlazaVista Alegre“, ein Betonbau aus den frühen 60ern, der ganz seltsam auf einem Hügel liegt, zu dem eine steile Strasse führt. Interessant: die barrera sol kostete in Málaga 40€ (in Madrid 60€), und in Bilbao satte und freche 82€!!! Deshalb also tendido und Reihe 8 bis 12. Mit Plastikschalensitzen ausgestattet, eine sehr bequeme plaza
Vista Alegre ist mit einem aforo für 14.781 Zuschauer eine sehr bequeme plaza de toros
Ich war vor 2 Jahren schon mal in Bilbao zur Feria und machte den grossen Fehler, mich in einem Hotel in Zentrum einzuquartieren. In Málaga ist es nämlich so, daß die Feria nur tagsüber im Zentrum ist: Flamenco, Cartojalwein und Pferde, alles sehr folkloristisch und schön. Auch laut, aber am Abend verlagert sich alles in den „Recinto Ferial“ ein Festgelände in der nähe des Flughafens ca. 8 km vom Zentrum, wo dann bis zum Morgengrauen gefeiert wird. Nicht so in Bilbao (und das ahnte ich nicht)! Dort hört man hauptsächlich gerne Ska, Punk und Techno in voller Lautstärke und es hört nicht auf. Vor meinem Fenster (und „vor“ meint es wörtlich!) drei riesige Bühnen, auf denen bis fünf Uhr in der Früh nur so auf die Instrumente eingedroschen wurde. An Schlaf nicht zu denken. So suchte ich 2014 nach endlosen drei Nächten,  mir in der komplett ausgebuchten Stadt eine Absteige fünfzig Meter von der Arena.
2014 in der Zwei-Sterne-Absteige (links). 2016 im Vier-Sterne-Hotel am Meer (rechts).
2016 dann in sicherer Entfernung in einem Hotel im schönen Seebad Getxo ca. fünfzehn Kilometer nördlich von Bilbao. Von dort fährt im 5-Minuten Takt eine Strassenbahn in zwanzig Minuten ins Zentrum. Perfekt.

Im direkten Vergleich liegen zwischen beiden plazas ebenfalls Welten. Das festive, essende, trinkende und schwatzende Publikum der „Malagueta“ und nun Bilbao:
Oben Málaga, Unten Bilbao: Zwei Städte, zwei plaza de toros, zwei Welten.
Vista Alegre ist eine absolut ernsthafte plaza niemand isst oder trinkt während der corrida. Alles im ruedo wird sofort mit aplausos oder pitos kommentiert. Wehe der picador überquert die „raya“, den Ring der seinen Bereich markiert. Wehe der zweite puyazo wird nur angedeutet usw. Die Stiere sind wohl die am besten präsentierten toros in ganz Spanien (ausser Las Ventas in Madrid natürlich). 

Zu den banderillas spielt immer auf dem höchsten Rang ein kleines Trio aus Trommler und zwei Trompetern in weissen Hosen und Hemden und roten Baskenmützen seltsame Baskischen Melodien. Die banderillas sehen anders aus, sind nicht mit Papier geschmückt.
Das kritische Publikum in den tendidos von Vista Alegre in Bilbao
Mir gefällt es in Bilbao sehr. Hier wird die corrida durch und durch ernst genommen. Der Zuschauer kommt nicht zum feiern in die plaza  sondern um kritisch zu bewerten. Dabei ist er dennoch nicht so fundamentalistisch, wie der Madrilene in Las Ventas

Auch hier ein sehr guter Joselito Adame, ein grossartiger Ponce, ein katastrophaler MoranteDiego Urdiales, der hier letztes Jahr schon eine der faenas der Saison hinlegte, bekam nun endlich die dos orejas
Eine natural von dem matador de toros Diego Urdales
José Garrido, der vor zwei Jahren einen sensationellen Auftritt „en solitario“, also alleine mit (damals noch) novillos hinlegte, ist nun endgültig der matador de toros, den Bilbao verehrt.

Ein denkwürdiger Nachmittag! Es sollte ein höchst interessantes cartel werden: Drei „junge Wilde“ José Garrido, López Simón und Roca Rey. Die neue Generation, erstmals gemeinsam in einer corridaDurch Roca Reys schwere cogida in Málaga bedingt, entschied sich die empresa ein „mano a mano“ daraus zu machen, also zwei matadores gegen 6 TOROS 6. Dem Publikum missfiel das sehr, es gab Pfiffe beim paseíllo. Die Zuschauer hatten gehofft, dass das cartel durch einen interessanten dritten Mann ergänzt wurde. Hierfür bot sich Ginés Marín an, der Roca Rey zwei Tage zuvor vertreten hatte, und eine sehr gute Figur machte. Ein anderer Wunschkandidat war Javier Jiménez (ja, eben dieser, der in Málaga drei avisos kassiert hatte), der ein paar Tage zuvor oreja y oreja  in Madrid bekommen hatte! Tags kreisen um die arena verschiedene Gerüchte: Die apoderados von „El Cid“ hatten ihren matador als Ersatz angeboten. Ein ziemlicher Unsinn, dann damit wäre das cartel der „jungen Wilden“ ruiniert gewesen. Die empresa wollte Javier Jiménez, was aber López Simon´s Management rundum ablehnte. So blieb es beim mano a mano ...
Ein Seltenheit: Ein paseillo unter pitos des Publikums
Doch was für ein seltsamer Nachmittag! López Simón schienen die Pfiffe beim Einmarsch sehr nahe zu gehen. Nach einer sehr blassen Darbietung mit seinem ersten Stier, schleuderte es den Descabello Degen ins Publikum. Ein Mann in der vierten Reihe wurde (gottseidank nur leicht) am Arm verletzt und beschimpfte den matador.

Was dann folgte, habe ich in einer arena noch nicht erlebt: López Simon hatte eine „Ataque de angustias“, eine Art Nervenzusammenbruch. Blass und mit Tränen in den Augen, stütze er im callejón sein Gesicht in seine Hände. 
Der matador de toros  López Simon am Ende seiner Nerven
Seinen zweiten toro konnte er kaum entgegentreten. Pfiffe, der Grossteil des Publikums, begriff nicht, was los war. Er ging in die enfermería und kam nicht wider. José Garrido bestritt heldenhaft und kaltblütig die restliche corrida und bekam eine oreja.
José Garrido rettet den tarde de toros der jungen Wilden.
Die grosse Belohnung kam für ihn dann am an nächsten Tag – dos orejas und Puerta Grande. In letzter Minute, denn das encierro von der ganadería Fuente Ymbro war eines der schlechtesten, die ich jemals in einer arena erster Kategorie gesehen habe. 6 katastrophale Stiere 6! Der sobrero (auch Fuente Ymbro) war´s. Ein Traumstier und ein meisterhafter, absolut selbstbewusster José Garrido.

Das Experiment 13 corridas in 14 Tagen, bei dem ich vorab vermutet hatte, dass es mir eventuell nach der 8 oder 9 corrida zu viel wird, endete damit, dass ich am Tag 14 melancholisch dachte: das war´s dann schon! Schade...