mit Siniša Vidović
Interview mit dem Regisseur des Films Korida
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Im März diesen Jahres berichtete SfA im Beitrag Drei Nationen - Zwei Stiere - Ein Kampf über den Dokumentarfilm Korida. Der Regisseur Siniša Vidović stellt sich den Fragen von Philip Wagenhofer, dem Ressortleiter für Kultur der christlich sozialen Tageszeitung Neues Volksblatt aus Österreich.
PHILIP WAGENHOFER: Erstmals ist mir der bosnische Serbe Siniša
Vidović 2008 aufgefallen, als er seine Abschlussarbeit an der Kunstuni, „VaterMorgana“, bei Crossing Europe vorstellte. Es war ein sehr professionell
gefertigter 20-Minuten-Film. Der mehrfach preisgekrönte Regisseur aus Linz, der
auch für Parov Stelar, Backaldrin und Runtastic gedreht hat, bringt diese Woche
seine packende Doku „Korida“ über Stierkämpfe in Bosnien-Herzegowina in die
Kinos.
Wie sind Sie auf das Thema gestoßen?
VIDOVIĆ: Das Thema habe ich entdeckt, als ich bei
meiner Familie in Bosnien zu Besuch war. Mein Cousin hat eine DVD von einer
Korida eingelegt, um zu sehen, wie die Kämpfe vom letzten Wochenende waren. Die
werden wie Fussballspiele aufgenommen, am Montag liegt das schon auf der Tankstelle
zum Verkauf. Ich habe sofort gedacht, wow, das ist so etwas, wonach ich gesucht
habe, etwas Neues, das keiner kennt. Über Stier gegen Stier wurde noch kein
Film gedreht. Zuerst war ein Spielfilm geplant, dann habe ich die politische
Ebene mitbekommen und gedacht, mit einem Dokumentarfilm kann man viel
authentischer und intensiver arbeiten. Die politische Situation in Bosnien ist
momentan sehr, sehr geladen, seit 20 Jahren gibt es diese Reibereien. Wir haben
drei Seiten, die bosnischen Serben, die bosnischen Kroaten und die bosnischen
Muslime bzw. Bosniaken, jede Seite zieht ihre Leute zu sich und gibt den
anderen die Schuld. Ständig wird Angst gemacht, als würde ein Krieg ausbrechen.
Werden Koridas von allen Gesellschaftsschichten
besucht?
Viele haben Vorurteile gegen Koridas: „Das ist
etwas für Bauern, Proleten, für die Unterschicht“, haben sie zu mir gesagt. Ich
blieb nicht bei Vorurteilen hängen, sondern an der Friedensgeschichte: Obwohl
die Leute dort einfach sind und im Krieg heftig gekämpft haben, jetzt stehen
sie nebeneinander, scherzen und haben Spass. Nach der Korida dieser befreiten
Zone, gehen sie wieder getrennte Wege. Bei der Korida kamen die Katholiken zu
Ostern zu den Orthodoxen zum Eierpecken, das gibt es nur dort. Faszinierend.
Die Menschen setzen auf alte Werte und auf Respekt: Du bist ein guter Mann,
also helfe ich dir. Egal, ob Kriege geführt worden sind, wir sind Nachbarn.
Was bedeutet es, dass die Korida befreite Zone
ist?
Die Korida ist befreite Zone, weil es dort keine Auftritte von Politikern gibt. Es gibt auch keinen Geistlichen, der einen Segen ausspricht vor dem Kampf. Das ist eine gute Metapher dafür, warum Bosnien nicht funktioniert: Wenn sich die Politik und die Religion einmischen, werden die Wunden wieder aufgerissen. Mit dem Film habe ich versucht, zu sagen, wie viel Aufmerksamkeit wir Politikern geben sollen — und wie viel unseren Nachbarn. Ich bin sehr froh, dass ich mit der Korida eine Welt kennengelernt habe, die alle verbindet und wo Frieden herrscht. Auch wenn es nur diesen Sonntag, einen Tag lang funktioniert, denke ich mir: Okay, ein heller Moment.
Könnte Fussball das auch?
Nein, da fetzen sie sich richtig. Korida ist das
einzige Massensportevent in Bosnien-Herzegowina, wo die drei Volksgruppen
friedlich miteinander auskommen. Beim Stierkampf gibt es 5.000 Besucher und zwei
Polizisten, bei allen anderen Massensportveranstaltungen gibt es 500
Polizisten. „Die Korida hat mehr Frieden gebracht als die Europäische Union“,
ist ein Zitat, das ich gehört habe.
Sie haben ganz eigene Figuren gefunden, an denen
Sie das festmachen.
Ich wollte nicht nur die Oberliga filmen, etwa
Stipe, der 24 Stiere hat, sondern auch Leute, die nur einen Stier haben.
Auf einem bekannten Platz wurde die Korida
verboten, weil sich dort ein Gräberfeld aus dem Zweiten Weltkrieg befinden
soll. Auch Minen wurden vermutet.
Die Korida gibt es schon seit über 240 Jahren.
Früher gab es fünf, sechs Koridas im Jahr, heute sind es vielleicht 100. Ende
August ist die größte mit 30.000 Besuchern, in den 1970er-Jahren waren an die
100.000 Leute dort. Die Koridas wurden noch nie verboten, auch nicht unter
Kaiser Franz Joseph. Sie wurde 2014, 2015 und 2016 kurzfristig von der Stadt
untersagt. Die wollen nicht, dass die Leute zusammenkommen. Für manche ist das
problematisch: Was wäre, wenn die Korida ihren alten Glanz mit 100.000 Leuten
wiederbekommen würde? Eine Mine soll gefunden worden sein, aber sie soll
nachträglich platziert worden sein.
Was war mit dem Anschlag auf Züchterin Renata?
Ist auch nicht geklärt worden. Das können
Konkurrenten sein, Leute, die neidisch sind. Alles ist wie auf dünnem Eis. Wir
haben diese Korida mit 1.000 Kilo schweren Stieren und diese utopischen
Friedensgedanken. Diese Kolosse kämpfen auf dünnem Eis. Da braucht es nicht
viel, dass es wieder kracht.
Wie geht es weiter?
Mit Fischer Film haben wir ein Projekt
eingereicht, ich mache Co-Regie mit Dinko Draganovic, ebenfalls
Kunstuni-Absolvent. Wir schreiben seit drei Jahren ein Drehbuch, das Projekt
heißt „MILF“, ein Coming-of-Age- und Familiendrama, das in Linz angesiedelt
ist. Das ist jetzt die neunte Drehbuchfassung: Fürs Filmemachen braucht man
Geduld.
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Offizielle Webseite vom Film: KORIDA
ORF: Bosnischer Stierkampf als sozialer Kit
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Offizielle Webseite vom Film: KORIDA
ORF: Bosnischer Stierkampf als sozialer Kit