Dienstag, 4. August 2015

Armut wegen den Stieren?

Über verschiedene Argumentationen gegen die Stiere
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von Philip de Málaga


Es scheint nur verständlich, dass antitaurinos auch mit menschlichen Argumenten versuchen zu punkten. Aber ist das wirklich gerechtfertigt:

Subventionen auf dem falschen Weg? 

So reden sie häufig von einer Stierkampf-Mafia die Millionen verdient, oft auch wegen der Subventionen, und dass man mit diesem Geld wohl viel nützlichere Dinge anstellen könnte. Gerade in den letzten Jahren wurde im Beitrag Der grosse Irrglaube: Stierkampf sei für den Tourismus! ein Kommentar darüber geschrieben: “Die Subventionen in Millionenhöhe für die tauromaquia sollten besser dem spanischen Bürger zufliessen und nicht einigen wenigen Bonzen der tauromafia”. Und weiter heisst es: “Mit all diesem Geld könnte man in Spanien Krankenhäuser modernisieren oder neu bauen, man könnte genügend ärztliches Fachpersonal bezahlen.” Von Klaus M. aus Bocholt erhielt ich ein Mail mit unter anderem folgendem Inhalt: “Es scheint mir unerträglich, dass es in diesen Zeiten in Europa immer noch so viel Armut gibt. Und statt die Gelder in solche modernen Gladiatorenspiele der Neuzeit, wie den spanischen Stierkampf zu verschwenden, sollte man sich um die Bedürftigen kümmern”. Öffentliche Gelder für Stierkämpfe, dass erzürnt wohl einige Gemüter.

Und zu recht. Wie SfA ja schon berichtet hat, setzten die municipios, bzw. die verantwortlichen Politiker sehr wohl Prioritäten im Verteilen hier finanziellen Verfügbarkeiten (Siehe SfA-Beitrag: Bücher statt Stiere). Also daran ist eindeutig der Trend zu erkennen, dass zahlreiche empresarios und Politiker mit neuen Konzepten versuchen, alte Strukturen des Finanzierung zu ändern.

Neue Wege die Stiere näher zu bringen

Zum Beispiel in der südspanischen Metropole Málaga, sind es nicht nur die corridas die das Publikum der mundo de los toros näher bringen sollen, sondern gleich zwei Museen, ein Restaurant und in der plaza de toros selbst ein ganzer Gastronomiebereich. 


Grosser Andrang bei den kulinarischen Köstlichkeiten in der Malagueta

Hinzu kommen Führungen in verschiedenen Sprachen und zahlreiche Geschäfte welche Produkte aus der tauromaquia anbieten.

Auch die ganaderías sind aktiver geworden. Zahlreiche Stierzuchten bieten an sie zu besuchen, und nicht selten auch mit kompletten Programmen, wie Unterkünften, Mahlzeiten, capeas, tientas und aber auch Flamenco oder Sherryverkostungen. Bei einigen ganaderías hat man sogar die Möglichkeit sich als aficionado práctico zu üben, also selbst mal die capa oder die muleta in die Hand zu nehmen und sich einem Kalb zu stellen.

Stierzuchten, welche man besuchen kann.

Mehr Informationen auf der offiziellen Seite: Turismo UCTL (in spanischer Sprache)

Ungerechtfertigte Gehälter?

Die Zweifel, dass zum Beispiel ein matador de toros wie José Tomás bei einem seiner Auftritte angeblich 400.000 Euros erhalten haben soll hat SfA ja schon im Beitrag Wenn Wohltätigkeit weh tut! dargestellt. Ob es so nun gewesen ist spielt keine Rolle. Aber ist nicht nachzuvollziehen, warum dieses als “nicht vertretbar” interpretiert wird.

Ein berühmter matador de toros verdient im Verhältnis zu anderen Stars aus Sport und Showgeschäft relativ wenig. Es sind vielleicht gerade mal an die zehn toreros, wenn überhaupt, die da pro Auftritt 100.000 Euros oder mehr verdienen. So ein Stierkämpfer muss, gleichwie ein Fussballer, seinen möglichen Triumph über Jahre hart erarbeiten. Und nur sehr wenige haben es auch wirklich geschafft. Pro Jahr kann man sie an einer Hand abzählen, wenn überhaupt.

Prioritäten oder schlechtes Gewissen?

Den Übel dabei sehen die antitaurinos wohl im Publikum. Würden diese nämlich ihre Gelder nicht in die tendidos der plaza de toros tragen, würde man der so genannten Stierkampflobby die Fundamente entziehen. Also will man den Besuchern, oder möglichen Besuchern ins Gewissen reden, sie informieren, welche Armut es auf der iberischen Halbinsel gibt. Und einer der Hauptschuldigen hierfür sei die mundo de los toros. Sollte man das wirklich tun?

Vor längerer Zeit sass ich mit Geschäftspartnern in einem gehobenen Lokal. Die Speisen waren köstlich genauso wie die Rechnung: Fast zweihundert Euros. Schließlich meinte Don Pedro“Mit dem Geld hätten wir auch für ein halbes Jahr die Patenschaft von einem Kind oder von sechs Kindern für einen Monat übernehmen können”. Ein anderer rechnete weiter: “Und wenn man das umrechnet wären es insgesamt so zwischen 400 und 600 Speisen”. Wir stimmten zu und diskutierten über diese Thematik. Ist es nicht so, dass fast alles was wir machen, so wie wir leben, auch bei aller Bescheidenheit, im Vergleich zu restlichen Welt purer Luxus ist? Da könnte man hinterfragen, nur weil es so viel Elend gibt, sollte man zum Beispiel die besseren Lokale meiden? Nicht mehr bei Hermés einkaufen gehen oder BMW fahren? 

Darf man seinen kulturellen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden? Oder wie steht es um die teuren Karten für den König Fussball? Sicherlich nicht. Es sollte einem jedem selbst überlassen sein, nach ethischen oder religiösen Werten seine eigenen Prioritäten zu setzen, und sich nicht von Bestimmungen durch Dritte bevormunden zu lassen. Wohlgemerkt, in unseren Breitengraden jedoch unter Anerkennung demokratischer Werte und gesetzlichen Vorgaben.

Was sagt die Wirtschaft dazu?

Keine Frage. Seit 2007 ist die mundo taurino geradezu in eine wirtschaftliche Flaute geraten. Kein Einzelfall, hat sich lediglich der spanischen allgemeinen Situation angepasst. Nicht alle Stierkampfarenen fahren kostendeckend oder gar gewinnbringend. 

Das trifft auch für toreros zu. Ein Grund warum sich unter den banderilleros, den so genannten Hilfsstierkämpfern, zahlreiche gescheiterte matadores de toros oder novilleros befinden. Oder jene, welche es trotz guter Leistung es einfach nicht schaffen bekannt zu werden. Wie oben schon beschrieben, nur wenige schaffen den finanziellen Durchbruch und das gilt auch für viele empresarios.

Aber trotzdem ist der Stierkampf wieder ein gewinnbringendes Geschäft. Direkt wie indirekt werden in Spanien Millionen an Euros umgesetzt. Und in Zeiten der Krise, die natürlich auch die tauromaquia eingeholt hat, schien es nicht sehr sinnvoll oder logisch, gerade da einen funktionierenden kompletten Wirtschaftszweig einzustampfen.

Das die toros in der Tat Arbeitsplätze schaffen und im Wohltätigkeitsbereich häufig tätig sind, kann ruhig auch am Rande erwähnt werden.

Wie SfA schon berichtet hat, seit zwei Jahren beginnen sich die plaza de toros bis zu einem No hay billetes zu füllen, zahlreiche empresas schreiben grüne Zahlen und in vielen Gemeinden werden die öffentlichen Gelder mittlerweile für andere Zwecke eingesetzt. Was aber nichts daran ändern, das sich die toros wieder auf einem steigenden Ast befinden.