Sonntag, 22. September 2013

Wenn die Stiere im Mittelpunkt stehen



von Colin Ernst
(Fotos: mundotoro)


Logroño, der zweite Tag, ein Wettbewerb der Stierzuchten
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Spannung pur in der halb vollen plaza von Logroño, dem coso La Ribera, so zumindest, hatte ich mir die Überschrift gewünscht. Wann hat man schon mal die Gelegenheit, sechs verschiedene ganaderías, die alle auf der gleichen Zuchtbasis züchten, zu sehen. Und mit sechs verschiedenen toreros, von denen einige als Spezialisten bekannt sind. 

Wenn die toros im Mittelpunkt stehen
Misterio, 515 Kilo
Den ersten toro, Misterioso, 515 Kilo schwer, negro (entrepelado, bragado, meano, was heißt er ist schwarz mit weißen Stichelhaaren und weißen Flecken unter dem Bauch) aus der ganadería José Escolar, wurde dem matador de toros Luis Bolivar zugelost. Der Stier erfüllte alle Anforderungen im tercio de varas. Anfangs noch etwas suelto, mit erhobenem Kopf unruhig umherstreifend im Part der banderillas, bot er sich doch im letzten tercio dem matador an. Mit gutem Schwung und schönem Rhythmus ergab er sich seiner Aufgabe. Bolivar konnte besonders über die linke Seite eine schöne, in die Tiefe führende faena herausarbeiten. Ein guter Stier, trotz seiner züchterisch bedingten Eigenarten. Leider hatte der diestro Probleme mit dem Abschluss, was eine Trophäe ausschloss. Ovación für den toro der ganadería José Escolar, silencio für Luis Bolivar. Dieser Misterioso war mein Favorit und hätte die estocada gesessen, wäre ein oreja für Bolivar sicher gewesen. Ich erlaube mir sogar zu sagen, das dieser Stier für zwei Trophäen gut war. Toro bravo!

Pajarito, 468 Kilo
Pajarito, aus der ganadería La Quinta, cárdeno (grau) war mit 468 Kilo der der leichteste in der corrida und der matador de toros Paco Ureña hatte es nicht immer einfach, typisch für diese encaste. Am Pferd machte sich der toro ausnehmend gut, während er bei der faena mit der muleta nicht immer mitspielte. Die teilweise wütenden Attacken ließ der erfahrene Ureña über sich ergehen, sicher führte er den Stier und tötete recibiendo. Auch wenn der Stier etwas soso war,  kommt Unverständnis auf wenn man die Bewertung dieses Paares sieht. Silencio für toro und torero. Ein geiziges Publikum. Paco Ureña hätte sein oreja mehr als verdient, denn der Stier senkte nicht allzu demütig das Haupt, sondern agierte in der Mehrzahl der faena mit halbhohem Kopf. Um dann trotzdem so eine gediegene Vorstellung abzuliefern erfordert es Intelligenz, Wissen und Können. Obendrein das Risiko, recibiendo zu töten, bei solch einem Exemplar … oreja de ley, meines achtens, für diesen bemerkenswerten torero.

Mercedario, 563 Kilo
Mercedario aus der ganadería Flor de Jara, mit 563 Kilos der schwerste toro aus der ganadería Flor de Jara machte es dem Mexikaner Joselito Adame nicht einfach. Wie beinahe alle toros, die auf dieser Basis gezüchtet werden (Santa Coloma-Albaserrada), bestand er die Prüfung des picadores ohne Probleme, allerdings ließ sein Eifer bald nach. Auf der rechten Seite gelangen Adame einige schöne aber kurze muletazos, aber die Chemie schien nicht zu stimmen, was keine Höhepunkte bescherte. Gute estocada.  Silencio für toro und torero  Das Ganze wirkte etwas abgehackt und langweilig. Es wäre ein halbherziges oreja gewesen.

Madrono, 513 Kilo
Madronocárdeno aus der Zucht Adolfo Martín, war der 513 Kilo schwere Gegner von Rubén Pinar. Ein komplizierter Vertreter seiner Zucht. Dieser Stier hinterfragte alles. Dies erfordert große Erfahrung. Auch ließ er sich leicht ablenken, was bei diesen wachen Gesellen typisch ist. Auch Madrono zeigte seine ganze Stärke im tercio de varas  aber es war ersichtlich das Pinar mit diesem Exemplar wenig anzufangen wusste. Jede Wette, ein El Cid hätte ihm ein oreja abgetrotzt. So gab es silencio für beide Protagonisten.

Huesino, 548 Kilo
Huesino, der toro für Antonio Nazaré aus Sevilla, gezüchtet von Ana Romero, bot ein beeindruckendes Schauspiel am Pferd, aber dann war der 548 Kilo Stier auch schon geschafft. Nazaré bot wirklich sein ganzes Können auf, aber es war einfach kein Weg zu finden, den toro zu animieren. Auch dieses Paar wurde durch Schweigen gestraft.

Ein derechazo von Esaú Fernández
Barrabasillo, 527 Kilo
Barrabasillo, 527 Kilo, negro aus der ganadería Juan Luis Fraile war der letzte toro des Nachmittags. Esaú Fernández, der für Martin Escudero einsprang, hatte sich wohl vorgenommen diese Chance zu nutzen. Gestärkt durch die gute Erfahrung mit dem Victorino den er vor kurzem indultiert hat, verstand er es, Tier und Publikum zu berühren. Empfing vertrauensvoll den Fraile Stier mit der porta gayola, auf den Knien vor dem Tor des torils. Esaú Fernández verstand den toro vorzüglich. Nach zwei picotazos des picadores, war Barrabasillos Mütchen etwas gekühlt und der junge torero belohnte ihn mit weichen, nach vorne führenden muletazos, die dem Stier wieder Vertrauen einflößten und so die faena zu einem flüssigen toreo machte. Auch dieser toro trug den Kopf meist hoch erhoben, was die Trophäe, welche das strenge Publikum am Ende gewährte, noch wertvoller macht. Eine Demonstration des „suerte“, denn Esaú Fernández vertrat Escribano, der bestimmt auch gut ausgesehen hätte mit diesem guten Exemplar de Frailschen Zucht. Ein torero der, wie sich zeigt viel Verständnis für diese schwierige encaste hat, sensibel mit dem Stier umzugehen weiß. Und auch kein Risiko scheut, wie er bewiesen hat. En hora buena – Glückwunsch!

Oreja für Esaú Fernández
Fazit: Für aficionados wie mich, die sich sehr für Stiere und deren Zucht interessieren, ein interessanter Event. Für toreistas nicht unbedingt ein künstlerischer Hochgenuss, eher gediegene Arbeit. Aber grade diese Arbeit fordert vom torero ein hohes Maß an Sensibilität, Einfühlungsvermögen Intelligenz, Flexibilität und Konzentration. Nicht jeder torero verfügt über diese Qualitäten, manche machen es sich mit den sogenannten Designerstieren zu einfach. Wenn sie dann mal einem toro bravo gegenüber stehen, geben sie mitunter ein trauriges Bild ab. Die ganaderos, die Züchter dieser speziellen Zuchtlinien, die sich heute präsentierten, dürfen auch ohne großen Applaus zufrieden sein. Was nämlich fehlt, sind toreros  die mit diesen toros umzugehen wissen. Diese Stiere wurden seit Jahrhunderten selektiert, ähnlich wie die Rennpferdezucht. Es ist etwas Besonderes, Erhaltenswertes. Vor allem haben sie trotz aller Selektion durch den Menschen nicht ihre Ursprünglichkeit verloren, ihre Angriffslust und Härte, wie sich besonders im tercio de varas zeigt. Und sie sind intelligenter geworden – sie gehen nicht grundlos auf alles los, sie wägen ab, bevor sie ihren Gegner attackieren. Sie geben nicht demütig auf, nein, die meisten tragen den Kopf hoch, das Maul geschlossen, bis zum Ende. Für mich war der toro der ganadería Escolar der Beste und der Name Esaú Fernández wird in meinem Gedächtnis bleiben.

Samstag, 21. September 2013

Aber die Wahrheit ist . . .




von Morante de la Puebla



Der maestro äusserte sich beim spanischen Fernsehsender Canal + über seinen Auftritt in Logroño.

"Der Stier hatte nobleza und ich wollte mich mit ihm auseinanderzusetzen um eine lange faena hinzubekommen, bei der ich dominieren konnte. Ich versuchte ihm den Weg zu zeigen, auch um ihn besser kennenzulernen. Am Ende bin ich in die Tiefe gedrungen um das Maximale ausdrücken zu können.

Ich fühlte mich dabei sehr gut, sehr glücklich und ich konnte es wunderbar mit dem espada beenden. Es war eine komplette Befriedigung, wobei es mir einfach nur gut ging. 

Das kann man sich noch nicht einmal anlernen, sich beibringen. Da setzt man mehr oder weniger einen Traum um. Aber die Wahrheit ist, man darf nie denken, dass man den Stier beherrschen kann, bis zu dem Moment, wo man ihn vor sich hat.

Es ist eigentlich ein Klischee und es gefällt mir gar nicht es zu sagen. Mut und Courage benötigt man für das ganze Leben. Aber um mit den Stieren zu kämpfen bedarf es mehr."

Über SfA --------------------------- VIELEN DANK an ALLE




von Philip de Málaga

Zahlen, Daten, Fakten
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Das Internetportal STIERKAMPF für ALLE, kurz SfA hat nun die Zahl von 75.000 Besuchern erreicht. Derzeit versteht es sich als das führende deutschsprachige Portal in Sachen der tauromaquia. Vor allem seit Februar diesen Jahres, wo SfA begonnen hat, fast täglich aus der mundo de los toros zu berichten ist die Zahl der Besucher um 300 Prozent gestiegen

Auch das Deutschsprachige Lexikon des Stierkampfs, der Cossío en alemán kann Rekordwerte verbuchen: Erst gerade mal 14 Monate online und schon wurden weit über 22.000 Begriffe nachgeschlagen. Hinzu kommt die Tatsache, dass mit weit über 1.750 Begriffen der Cossío en alemán wohl derzeit das grösste nichtspanische Nachschlagewerk in Sachen der toros sein dürfte. Ein gewisses Interesse muss es wohl im deutschsprachigen Raum für die toros geben. Anders lässt sich dieser Besucherstrom wohl kaum erklären. 

Obwohl SfA ein deutschsprachiges Portal ist, kommt nur jeder zweite Leser aus Deutschland. Ohne Frage ein Beweis für die Internationalität  der afición.




Selbst unterwegs wird SfA gerne gelesen. Immerhin 18 Prozent rufen SfA von einem Smartphone oder Pad ab. Bei iPhone und iPad liegt die Rate bei 7 Prozent.

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"Ich bedanke mich bei allen, 
die geholfen haben diese Portale zu fördern und aufzubauen.
Besonderer Dank auch an die Leser, 
die mit ihren privaten Mails 
ihre Zustimmung zu unserer Arbeit vermittelt haben.
Danke auch an das Team von SfA,
ohne deren Hilfe diese Plattform kaum bestehen könnte.
Nicht unerwähnt soll die intensive Arbeit von Colin Ernst  bleiben,
die mit ihrem unermüdlichen Einsatz 
für zahlreiche aktuelle Information aus der Welt der Stiere sorgt.
Dank auch an Klaus Colschen,
der mit seinem Team von Dreamlex
den Cossío en alemán ermöglicht hat.

Vielen Dank an alle."

Philip de Málaga
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Freitag, 20. September 2013

Logroño: Und wieder einmmal Morante



von Philip de Málaga
(Fotos: mundotoro)


Morante de Puebla gewinnt erneut die Herzen der Zuschauer
Auch Ángel Perera konnte überzeugen
Enrique Ponce ohne Glück
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Erneut gelingt es dem maestro Morante de la Puebla die Reihen in den tendidos vibrieren zu lassen. In Logroño, einer Stadt in der Provinz La Rioja, einer Zone der besten Weine der Welt, gab der derzeit beliebteste torero Spaniens eine fantastische Vorführung. Guter Wein und bester toreo, dass passt irgendwie zusammen. Veronicas zum Träumen, chicuelinas voller Eleganz übertrugen den duende in die tendidos
Und dann im dritten tercio, nur die ersten muletazos, das Publikum hielt den Atem an. Geradezu genial führte er die muleta mit der linken Hand. Derechazo, nennt man das im Fachjargon. Und dann auch noch wie Zeitlupe. 


So ein temple, eine solche Ruhe, solch dermassen langsam durchgezogene Manöver hatte man schon lange nicht mehr gesehen. Der Gipfel, die beste Darstellung und die geradezu Erleuchtung einer faena beschreiben es die spanischen Medien. Ein Höhepunkt der tauromaquia. Auch bei den letzten Manövern mit der muleta wurde das Publikum in Ekstase versetzt. Bewegungen, Harmonie, ein simpler Rausch der die Sitzplätze geradezu überflutete. Wenn der toro und der torero verschmelzen, wenn sie die Zusammengehörigkeit repräsentieren, dann erkennen, dann verstehen die taurinos, warum sie zu aficionados geworden sind. Dos orejas  eine wahrlich gute und durchaus gerechtfertigte Belohnung für diese Verschmelzung des Lebens mit dem Tod.

Animiert durch Morante trat Ángel Perera mit dem letzten toro des Tages an. Absolut kein einfacher Stier, aber der maestro verstand es mit einer grossartigen faena zu überzeugen. Der toro galoppierte gut an, und Perera führte seine muleta auffallend tief, was dem Manöver eine gewisse Langsamkeit vermittelte. 
Besonders lobenswert, der torero bewegte sich fast nicht vom Platz und führte viele seiner Manöver von derselben Stelle aus. Dominanz, das gefiel dem Publikum und dos orejas mehr als gerechtfertigt.

Der rangälteste matador in dieser Runde, der maestro Enrique Ponce hatte nicht nur Pech mit seinem lote, sondern konnte auch nicht mit der estocada überzeugen.

Puerta grande für Morante de la Puebla und Ángel Perera


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Logroño: Toros von der ganadería La Ribera für die matadores de toros 
Enrique Ponce (silencio nach einem aviso, ovación)
Morante de la Puebla (silencio und dos orejas)
Ángel Perera (silencio und dos orejas)
Circa 8.000 Zuschauer





Die Stiere in Spanien: Tradition, Kunst und Wirtschaft




von Enrique Ponce

Bei einer Podiumsdiskussion "Die Stiere in Spanien, Tradition, Kunst und Wirtschaft" in Alicante bezieht der matador de toros Enrique Ponce aus Chiva (bei Valencia) Stellung. 

Debatte in Alicante: Enrique Ponce, dritter von links. (Foto: mundotoro)
"Die Politik hat die Freiheit, die Herzen, die Gefühle 
und die wirtschaftliche Bedeutung mehr als beeinflusst. 
Der Stier ist ein Markenzeichen unseres Landes 
und hat einen unzweifelhaften kulturellen Wert. 
Wenn es etwas gibt, dass uns Spanier so kennzeichnet, 
dann sind es die Stiere. 
Viele Bereiche leben von ihnen, 
wie der Tourismus, das Hotelgewerbe, die Gastronomie 
und zahlreiche Menschen verdienen direkt 
mit dem Stier ihren Unterhalt."

Donnerstag, 19. September 2013

Die Liberalen in Spanien setzen sich für die Stiere ein




von Philip de Málaga


Die UPyD fordert die Anerkennung der toros als immaterielles Kulturgut
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Die liberale UPyD, die Unión Progeso y Democracia (Union für Fortschritt und Demokratie) stellte einen Antrag, der sich eindeutig für die tauromaquia aussprach. Bekannt ist die Partei dafür, nicht nur dass sie sich zwischen PP und PSOE ansiedelt, sondern vielmehr dafür, dass sie regionale Nationalismen vollkommen ablehnt. Ein regionales Verbot der toros geht in Augen der UPyD gar nicht.

So haben sie in ihrem jüngsten Manifest klar Stellung bezogen:

Rosa Díez
Die fiesta de los toros, die verschiedenen Veranstaltungen dazu, die festejos populares, und die tauromaquia im Allgemeinen, erfassen alle sozialen Ausdrucksformen und alle kulturellen Bezüge zur lidia de los toros, und reflektieren damit Elemente, die es wert sind als immaterielles Kulturerbe deklariert zu werden.

Die Partei unter der Führung von Rosa Díez González vertritt den Standpunkt, dass Regionen nicht berechtigt sein sollten nationale Kulturgüter einfach abzuschaffen um provinzialischem Gedankengut Priorität zu verleihen. Hinzuzufügen sei, dass Rosa Díez sehr wohl mit europäischem Gedankengut vertraut ist. Immerhin war sie von 1999 bis 2007 Mitglied für die PSOE im Europäischen Parlament. 

Mit diesem Zugeständnis, denn die linken Parteien haben sich gegen die toros ausgesprochen, wird das Thema im Kongress am 26. September erneut verhandelt.

Ein religiöses Ritual im Übergangsstadium



Ein Zitat von
Alison Louise Kennedy


"Ich denke, 
dass der klassische Stierkampf 
immer noch sehr nah 
an seinen religiösen Ursprüngen, 
dass er ein religiöses Ritual 
im Übergangsstadium ist. 
Dieser langsame Übergang 
verschiebt die Bedeutung 
vom Töten des Stieres 
hin zur Vorbereitung 
des Todesstosses, 
zu den Passagen mit der capa
bei denen Mensch und Tier 
eine seltsame Verbindung einzugehen scheinen."

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Quellennachweis:
 On bullfihting, A. L. Kennedy, 
Yellow Jersey, Random House UK
London 1999

Mittwoch, 18. September 2013

Warum gewisse Stierfeste abzulehnen sind

Wenn unprofessionelle Hobby-toreros am Werke sind 
hat das nichts mehr mit dem klassischen Stierkampf zu tun
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von Philip de Málaga


In Katalonien gäbe es keine Stiere mehr, so denkt man im Ausland. Stimmt das? Wer einen Blick auf die taurinische Landkarte wirft wird eines besseren belehrt. Zwar haben die Herrschaften in Barcelona die klassischen corridas, also die corrida de toros, novilladas und rejoneos verboten, und davon gab es 2012 nicht mal zehn Veranstaltungen, haben aber auf der anderen Seite keine zwei Wochen später alle anderen weit über vierhundertfünfzig Stierfeste zugelassen. Wer sich nicht auskennt denkt, ja, bei den corridas werden die toros gequält und getötet, aber bei den dörflichen Stierfesten werden die toros weder gefoltert und auch nicht getötet, sie werden friedlich durch die Strassen getrieben. Ist das wirklich so?

Bei klassischen corrida treten professionelle toreros an. Personen die ihr Handwerk gelernt haben. Gerade jetzt in der Gegenwart sind zahlreiche escuelas taurinas dabei, das Wissen der toros an ihre vielen alumnos weiterzugeben.

Escuela taurina mit zahlreichen Schüler in Málaga
Bei den Stierfesten mit dörflichem Charakter ist es in erster Linie die unprofessionelle Bevölkerung, die sich mit der toros üben darf, beziehungsweise versucht ihren Mut darzustellen. Dabei gehen sie auffällig brutal zur Sache. Die toros sind der schmerzhaften Willkürlichkeit der Bevölkerung meistens ausgeliefert.
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"Stierfeste 
bei denen die toros 
der schmerzhaften Willkürlichkeit 
der Bevölkerung ausgesetzt sind, 
sind in jedem Fall zu verurteilen!"

Philip de Málaga
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Ein Foto aus Katalonien.
Kommen wir zurück nach Katalonien. Tarragona liegt im Süden dieser nordöstlich gelegenen spanischen Region. Also eine Stadt in einer spanischen Zone, wo es angeblich verboten ist Stiere zu quälen oder zu töten. Doch gerade dieser Ort mit immerhin knapp 140.000 Einwohner ist bekannt für seine Feuerstiere, den so genannten toros embolados. Dabei werden den Stieren zu nächtlichen Zeit Feuerkugeln an den Hörnern befestigt. Von Panik erfasst rennen sie über den Platz und manchmal durch die Strassen. Das Feuer brennt in den Augen, auch in den Ohren spüren sie es und das Schlimmste dabei, der toro kann davor noch nicht einmal weglaufen. Nicht selten dauert dieses eine Ewigkeit. Ja meine Damen und Herren, Sie haben richtig gelesen, in Katalonien sind solche festejos populares erlaubt!

Aber nicht nur in Katalonien finden sich solche Stierfeste statt. Bekannt sind auch Coria (Cáceres) oder Fuentelencina (Guadalajara) oder ganz aktuell der Toro de la Vega in Kastillien-Leon, worüber SfA-Mitarbeiterin Colin Ernst heute morgen berichtet hat. Viele Orte gibt es, wo diese festejos populares an willkürlicher Schmerzzufügung kaum zu übertreffen sind. Viele Kenner der tauromaquia und aficionados lehnen solche Stierfeste grundlegend ab.

Toro de la Vega im kastilischen Tordesillas (Foto: tauromaquia.de)
Was sagt eigentlich der Gesetzgeber dazu? 

Wer einen Blick in das reglamento taurino wirft, wird schnell erkennen, eigentlich nicht viel. Lediglich in Artikel 91 werden an 6 Punkten gesetzliche Vorgaben vorgeschrieben. Aber nicht ein Punkt stellt dar, wie man mit den toros umzugehen hat. Da ist die Rede von einer Gewährleistung eines ambulanten Service für verletzte Personen, die Tiere müssen sich in einem gesunden Zustand befinden und dementsprechend einen Tag von einem veterinario untersucht und freigegeben werden. Der einzige Punkt für die toros ist der, dass der Gesetzgeber die Anwesenheit eines diestros, eines so genannten director de lidia mit mindestens drei Helfern vorschreibt. Bei encierros, also den Stiertreiben, werden gar zehn Helfer verlangt. Die Hauptaufgaben des director de lidia bestehen in erster Linie daraus, dass der oder die toros den dafür bestimmten Raum nicht verlassen können, gegebenenfalls den Teilnehmern zu helfen und darauf zu achten dass die toros adäquat behandelt werden. Was man unter adäquat auch immer verstehen mag, der Interpretationsfreiheit sind hier keine Grenzen oder Schranken gesetzt. Wer an solchen festejos populares schon einmal teilgenommen hat, weiss sehr wohl, wie wenig diese toreros ins Geschehen eingreifen. Nicht selten sind es noch nicht einmal professionelle matadores de toros. Einfach nur eine traurige Realität.

Und was sagen taurinos und aficionados dazu?

Nicht viel. Viele von ihnen können sich dafür nicht begeistern. Aber sie kritisieren es nicht so in der Öffentlichkeit. Verständlich, denn schliesslich sind sie ja selbst Anhänger von Veranstaltungen wo toros getötet werden. Aber mit dem entscheidenden Unterschied, dass es hier gesetzlich kontrolliert ist und professionelle toreros am Werk sind.

Interessant auch zu beobachten, dass sich die Stierkampf bezogenen Medien, wie mundotoro, Burladero, Aplausos oder auch SfA sich mit den Berichterstattungen über solche festejos populares weitgehend zurückhalten. Das liegt wohl auch daran, dass man sich mit dieser Art von Stierfesten weder identifizieren noch anfreunden kann oder will.

Toro de la Vega

In diesen Tagen in aller Munde, das Stierfest in Tordesillas, 
bekannt als Toro de la Vega
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von Colin Ernst

Der Stier, zwischen vier und sieben Jahre alt, 500-600 Kilo schwer, wird vom Dorf bis ins offene campo gejagt. Die Jäger sind die Lanzenreiter und auch zu Fuß stellen sich Menschen dem toro entgegen. Das blutige Ritual ist schon über fünf Jahrhunderte Tradition in diesem Dorf. Seit 1980 ist es als Fest mit touristischem Interesse deklariert. 

Das Stiertreiben beginnt im Dorf und sollte festen Regeln folgen. Wenn das Tier die Brücke des Duero überquert und den Platz Cristo de Batallas erreicht hat, dürfen sich die Beteiligten Lanzenreiter und Fußgänger sich ihm in den Weg stellen, ihn umlenken, locken oder stoppen. Sie dürfen ihm allerdings keinen Schaden zufügen, so das reglamento

Noch dürfen sie dem toro keinen Schaden zufügen (Foto: mundotoro)

Kommt der Stier im Campo de Honor an, beginnt das Gemetzel. Das „Torneo de la Vega“. Die Reiter versuchen den Stier mit ihrer Lanze zu töten. Da es sich dabei nicht um geübte rejoneo Reiter handelt, ist das blutige, entwürdigende Schauspiel alles andere als ansprechend. In den Regeln heißt es, das die Reiter, oder auch die Fußgänger dem toro keinen unnötigen Schaden auf der Strecke zufügen dürfen. Auch darf, wenn der Stier am Boden liegt kein Stich mehr ausgeführt werden, der tapfere toro soll in Frieden sterben dürfen. Am Zielort wartet ein professioneller Töter, um das Tier mit einem Stich ins Genick zu töten – „apuntillar al toro“, wie es heißt. 

Der Todesstoss.
Auch dieses Jahr haben Tausende dagegen demonstriert, 84.000 Unterschriften wurden angeblich gesammelt und in Madrid präsentiert. Auch wenn SfA ein Pro Stierkampf Portal ist, muss ganz klar gesagt sein, das ich auch dagegen bin. Einen Stier so zu hetzen, so zu töten, hat nichts mit den encierros wie in Pamplona zu tun. Correbous , toros embolados, den sogenannten Feuerstieren, oder auch sonstige Spektakel dieser Art, lehne ich generell ab. Nichts gegen Jahrhundert alte Tradition, aber das unprofessionelles Töten muss ein Ende haben. Man kann den Stier auch, wie bei anderen Festen üblich, gewaltlos durchs Dorf treiben und ihm an Ende einem Profi (wie zum Beispiel einem rejoneador) gegenüber stellen. Es gibt ein Fest in einem anderen Dorf in Spanien, wo eine große Anzahl Reiter die Stiere durch die Straßen geleiten. Sie bilden praktisch einen Kokon um die Gruppe toros. Das finde ich schön und die Reiter können mit Recht stolz auf sich sein, denn das ist eine Kunst. Natürlich muss man objektiv sein. Wenn der toro de la vega nicht zum Spektakel ausgewachsen wäre, ginge es wahrscheinlich wesentlich gesitteter zu. Pamplona ist ein Beispiel, wie eine fiesta zu einem Multikulti-Besäufnis verkommen kann. Das hat nichts mehr mit Hemingways Erzählungen zu tun, das ist ein Mega Touristenrummel geworden. So läuft es nun auch in Tordesillas, was vermehrt die antitaurinos und fanatischen Tierschützer auf den Plan ruft. Dies zieht dann die Anwesenheit der Gegenpartei an und wird obendrein politisch auf das Gröbste ausgenutzt. 

Doch trotz allen Argumenten, die ich gegen diese Art taurinischer Feiern habe, geht mir das letzte Wort eines jungen Dorfbewohners nicht aus dem Kopf: „Was wollen denn all die Fremden hier, die gar nicht wissen, worum es geht?! Wenn es ihnen nicht gefällt, warum sind sie dann hier?" Eine sehr gute Frage…

Dienstag, 17. September 2013

So sieht das Gesetz die indultos

Die offiziellen Regelwerke für die Stierkämpfe bestimmen ziemlich eindeutig 
wann ein Begnadigung eines Stieres erfolgen kann und sollte
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von Philip de Málaga

Im Artikel 83, Absatz 1 des spanischen und in Artikel 60, Absatz 1 des andalusischen reglamentos taurinos wird ziemlich klar festgehalten, dass ein indulto nur dann gerechtfertigt sei,
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... wenn ein res mit seinem tierzüchterischem Charakter 
und einem exzellenten Verhalten 
allen Phasen der lidia folgt, ohne Ausnahme, 
besonders bei der suerte de varas
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Die Betonung liegt hier eindeutig auf zwei Punkten: Zunächst einmal die Hervorhebung das der Stier "allen Phasen" der lidia zu folgen hat, welches meint, die toreros müssen dem res auch die Möglichkeit eröffnen dieses zu tun. Es wird damit aber auch angedeutet, dass das res auch allen Aufforderungen mit capa und muleta ohne zu zögern nachgehen muss. Ohne Ausnahme! Zögerliche Angriffe eines toros dürfen nicht mit einem indulto belohnt werden. Besonders im letzten tercio bei der Arbeit mit dem matador, erkennt man, ob nach den Prüfungen mit der pica, das Tier ein indulto verdient hat oder eben nicht.

Hier wird einem auch der zweite Punkt bewusst, die Wichtigkeit des tercio de varas. Dieses Drittel dient nicht dazu, dem Tier bewusst Schmerzen zuzufügen, sondern bei einem toro bravo tritt genau das Gegenteil ein, Adrenalin und Beta-Endorphine sorgen dafür, dass der toro eben an bravura dazu gewinnt und sich nicht davon abhalten lässt weiterhin anzugreifen. Das reglamento taurino bezieht dazu eindeutig Stellung.

In anderen Ländern sieht man es ähnlich. Im Land mit der grössten plaza de toros der Welt, in Mexiko lässt man ein wenig Spielraum und erwähnt den indulto im reglamento taurino lediglich ein Mal:
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... wenn ein res mit Tapferkeit, Kraft und Noblesse
während des ganzen Stierkampfes angreift ... 
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Mehr hat man dazu in Mexiko nicht festgelegt. Aber man achte darauf, auch hier wird erwähnt während der gesamten lidia! In Equador, Peru und Frankreich sieht man es ähnlich wie in Spanien.

Wo sich aber eigentlich fast alle einig sind, ein indulto sollte nicht nur in den Händen des Publikums und gar des matadores liegen. Wenn ein matador versucht ein indulto zu erzwingen, so ist dieses definitiv unerwünscht. So darf er auch nicht die tendidos drängen nach einem indulto zu fordern. In Peru ist das sogar im reglamento taurino schriftlich festgehalten.

Zwei Themen am Rande:

Enrique Ponce begnadigt einen toro in Alicante (2009)
(Foto: mundotoro)
Der Meister der indultos dürfte wohl der maestro Enrique Ponce aus Chiva, bei Valencia sein. In den letzten 21 Jahren ist es ihm gelungen 41 toros in sechs Ländern zu begnadigen. Sein erstes indulto erwirkte er 1991 in Quito. In Spanien ein Jahr später, in Murcia, einen toro der ganadería Jandilla. Die plaza de toros mit den meisten seiner indultos, insgesamt fünf, war San Cristobal in Venezuela

Etwas Kurioses entdeckte ich gestern. Der Cossío versteht sich derzeit als grösstes Nachschlagewerk zum Thema der tauromaquia. In dreissig Bänden kann man auf gut 21.000 Seiten alles nachlesen, was man über die mundo de los toros erfahren möchte. Alles? Gerade jetzt beim Thema der indultos wollte SfA erfahren, was der Cossío zu Rechtmässigkeit dieser Begnadigungen schreibt. Grosses Erstaunen beim Team von SfA. Im ersten Band wo das Vokabular für die toros behandelt wird, finden sich weder indulto noch indultar. Auch in den Bänden über die toros oder den Ablauf einer corrida findet sich nichts zu diesem Thema. 

Selbst Ernest Hemingway hat darüber nichts geschrieben.